Stuttgart. „Warum darf ich keine Jungs mögen? Es ist mein Leben! Ich darf doch wohl entscheiden, wen ich liebe!“ – „Wir entscheiden, mit wem du sprichst. Wir entscheiden, wen du heiratest.“ – „Du kannst mich doch nicht zwingen, jemand zu lieben!“ – „Es geht nicht um Liebe. Es geht um Ehre.“ Was klingt wie eine Film-Szene, spielt sich so im wahren Leben ab. Und spiegelt sich in einem ganz besonderen neuen Film wider. Er wurde für die Beratungsstelle für junge Migrantinnen YASEMIN der Evangelischen Gesellschaft (eva) professionell, aber ehrenamtlich entwickelt und gedreht. Auch die Musik, die im Film zu hören ist, wurde eigens für den Film komponiert. Künftig werden die Mitarbeitenden von YASEMIN den Film bei Präventions-Veranstaltungen an Schulen und in Ausbildungsbetrieben in ganz Baden-Württemberg einsetzen.
Aria Wolf als Regisseurin und Dominik Schwegler als Kameramann haben seit Sommer 2018 mit viel Herzblut und Sachverstand an dem Film gearbeitet. Ihr Anspruch war, die Realität zu zeigen. Deshalb haben sie mehrmals mit Expertinnen gesprochen: jungen Frauen, die von Gewalt im Namen der sogenannten Ehre betroffen sind, sowie Beraterinnen von YASEMIN. „Mir war wichtig, zu zeigen, was wirklich passiert“, erzählt Aria Wolf. Danach haben die angehende Filmemacherin und der Kameramann das Drehbuch geschrieben. Über fünfzig Personen haben ehrenamtlich an dem etwa 15-minütigen Film mitgewirkt: Angehende Schauspielerinnen und Schauspieler, Tontechniker, Beleuchter, ein Komponist und Musiker. Die Sachkosten wurden vom Zonta Club Stuttgart und eva-Spendern getragen.
Der Film erzählt parallel die Geschichten von vier Mädchen. Die Szenen sind auf Schlüsselmomente konzentriert. Sie zeigen die Auswirkungen von Gewalt auf die jungen Frauen – beim Abendessen in der Familie, beim Sportunterricht oder im Brautladen. Die Schauspiel-Schülerin Olivia Tidwell spielt im Film das Mädchen Mira. „Es war sehr schwierig, die Gefühle nachzuempfinden und auszudrücken“, berichtet sie. Nicht nur, weil sie keinen Text spricht. Sie fand es auch nicht einfach, sich in Mira hineinzuversetzen, weil sie solche Ehrverletzungen nie erlebt hat. „Nach dem Dreh habe ich mir Gedanken gemacht. Wie kann es sein, dass wir in vielen Dingen so weit sind, aber in diesem Punkt nicht?“
Der neue Film soll der mobilen Beratungsstelle YASEMIN der eva dabei helfen, ins Gespräch mit Schülerinnen, Schülern und Auszubildenden zu kommen. YASEMIN ist die einzige Beratungsstelle in Baden-Württemberg, die niederschwellige Angebote für junge Frauen macht, die von Zwangsverheiratung und so genannter Gewalt im Namen der „Ehre“ bedroht und betroffen sind. „Mit dem Film wollen wir vielen jungen Menschen verdeutlichen, dass sie mit dem Thema Gewalt im Namen der ,Ehre‘ nicht alleine sind“, sagt Aischa Kartal (Name geändert), die Bereichsleiterin der eva-Hilfen für junge Migrantinnen. Dominik Schwegler, einer der beiden Hauptverantwortlichen für den Film, ergänzt: „Es war von Anfang an klar, dass der Film zeigt: Es gibt Wege, wie man rauskommen kann. Es gibt Hoffnung.“ (uli/red)