eva-Beratungsstelle YASEMIN ist an neuer Stelle beteiligt – Kampf gegen schwere Menschenrechtsverletzung an Frauen und Mädchen
Göppingen / Stuttgart. Knapp 8.000 Frauen in Baden-Württemberg könnten von Genitalverstümmelung betroffen und fast 3.000 Mädchen davon bedroht sein. Um dem entgegenzuwirken, finanziert das Land Baden-Württemberg eine zentrale Anlaufstelle FGM/C in Göppingen. Diese wurde von der Staatsekretärin im Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration, Dr. Ute Leidig, am 2. März eröffnet. Weibliche Genitalverstümmelung und -beschneidung – in der englischen Fachsprache als FGM/C (Female Genital Mutilation/Cutting) bezeichnet – beschreibt eine schwere Menschenrechtsverletzung, bei der Teile des weiblichen Genitals entfernt oder verletzt werden.
Mit der neuen zentralen Anlaufstelle erhalten Betroffene aus ganz Baden-Württemberg ein leicht zugängliches, niedrigschwelliges Angebot mit einer psychosozialen, therapeutischen und gesundheitlichen Beratung und Behandlung. Die Beratungsstelle wird auch Fachkräfte und Behörden über die Menschenrechtsverletzung informieren und ein zentral gesteuertes Fortbildungsangebot aufbauen. Für die zweijährige Modellphase investiert das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration rund 250.000 Euro.
Mehrere Angebote kooperieren bei der neuen Stelle
Um möglichst viele Betroffene umfassend beraten und begleiten zu können, kooperieren bei der zentralen Anlaufstelle FGM/C mehrere Organisationen aus dem Land. Koordiniert wird das Modellprojekt vom Verein „Sompon Socialservices Baden-Württemberg“. Daneben sind auch die Beratungsstelle YASEMIN der eva in Stuttgart, das Fraueninformationszentrum und Wildwasser in Stuttgart sowie das Freiburger Zentrum für Frauen mit Genitalbeschneidung der Universitätsfrauenklinik Freiburg beteiligt.
„Genitalverstümmelung ist ein schwerer Verstoß gegen das Recht auf körperliche und psychische Unversehrtheit – dass es das immer noch gibt, dürfen wir nicht akzeptieren“, sagte Staatssekretärin Ute Leidig bei der Eröffnung. „Mit der Beratungsstelle gehen wir einen entscheidenden Schritt nach vorne in der Bekämpfung des Leids vieler Frauen und Mädchen. Es freut mich, dass wir dafür ein so kompetentes und interdisziplinäres Team gewinnen konnten. Die betroffenen Frauen und Mädchen können sicher sein, dass sie hier in Göppingen kultursensibel, individuell und sehr professionell beraten und behandelt werden.“
Die Zahlen steigen
Seit 2013 wird die Verstümmelung weiblicher Genitalien als eigener Straftatbestand eingestuft und kann mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünfzehn Jahren bestraft werden. Trotzdem ist die Zahl der Opfer weiblicher Genitalverstümmelung in Deutschland seit 2017 um 40 Prozent gestiegen. Das hat eine Untersuchung des Bundesfamilienministeriums gezeigt. Demnach sind 66.707 Frauen in Deutschland von der Menschenrechtsverletzung betroffen. Die deutliche Steigerung wird vor allem darauf zurückgeführt, dass in diesem Zeitraum mehr Menschen aus Herkunftsländern nach Deutschland gekommen sind, in denen weibliche Genitalverstümmelung praktiziert wird. Die meisten betroffenen Frauen kommen aus Eritrea, Somalia, Indonesien, Ägypten und dem Irak.
Der im vergangenen Jahr aktualisierten Dunkelzifferstatistik von Terre des Femmes zufolge sind in Baden-Württemberg knapp 8.000 Frauen betroffen und fast 3.000 Mädchen gefährdet. Sie werden zum Beispiel zu sogenannten „Ferienbeschneidungen“ in das Heimatland geschickt, um den Eingriff dort durchführen zu lassen. „Damit sind auch sehr viele Mädchen, deren Familien nach Deutschland und Baden-Württemberg gezogen sind, der Gefahr einer sehr schmerzvollen und traumatisierenden Erfahrung ausgesetzt“, erläuterte Staatssekretärin Dr. Ute Leidig.
Laut den aktuellen Angaben von UNICEF sind weltweit mindestens 200 Millionen Mädchen und Frauen von weiblicher Genitalverstümmelung betroffen. Jährlich sind mehr als vier Millionen junge Mädchen im Alter von vier bis 14 Jahren von der Gefahr weiblicher Genitalverstümmelung bedroht – die Dunkelziffer ist allerdings sehr hoch. (pm)