Studie überprüft Erfolgsfaktoren und Grenzen von Scout – Hilfeverläufe von 138 betreuten Jugendlichen untersucht
Stuttgart. Was haben die Biografien der jungen Männer gemeinsam, die in der Jugendhilfeeinrichtung „Scout“ in Stuttgart betreut werden und warum sollten sie dort länger als ein Jahr bleiben? Eine Studie, die beim Treff Sozialarbeit der eva vorgestellt wurde, gibt Antworten auf diese Fragen.
Sie sind notorische Schulverweigerer, gefährden sich und andere mit ihrem Verhalten, konsumieren Drogen, sind oft schon straffällig geworden, zeigen aber wenig Unrechtsbewusstsein. Die Jungs zwischen 12 und 18, die in der intensivpädagogischen Einrichtung „Scout“ in Stuttgart am Löwentor leben, haben in der Regel eine lange Jugendhilfe-Karriere hinter sich. Zu Scout kommen sie nicht freiwillig, sondern auf Wunsch ihrer Eltern. Schließlich ist dieses von youcare – einer Tochtergesellschaft der Evangelischen Gesellschaft (eva) – betriebene Wohnheim eine ganz besondere Einrichtung. „Freiheitsentziehende Maßnahmen“ gehören zum pädagogischen Konzept. „Wenig Selbstwertgefühl, dafür eine kurze Zündschnur“, hat der pädagogische Leiter Jochen Salvasohn seine Jungs beim Treff Sozialarbeit der eva beschrieben.
Klare Regeln und bedingungslose Wertschätzung
Der Tagesablauf bei Scout ist eng getaktet. Der Besuch der hauseigenen Schule gehört dazu, es herrschen klare Regeln – und wer sich nicht daran hält, spürt Konsequenzen. Gleichzeitig gilt das „Prinzip der bedingungslosen Wertschätzung“ der Jugendlichen, charakterisieren die Scout-Verantwortlichen Martin Eipper und Jochen Salvasohn die Arbeit des Teams.
Seit 2005 gibt es diese Jugendhilfeeinrichtung mit heute 12 Plätzen in zwei Wohngruppen. Wie erfolgversprechend ist die intensivpädagogische Arbeit, welche Faktoren tragen dazu bei, dass die Hilfe ankommt? Das waren die Leitfragen einer Studie, die Dr. Joachim Jungmann und Anna von Hirschheydt, eine Mitarbeiterin von Scout, im Auftrag von Scout durchgeführt haben. 138 Hilfeverläufe innerhalb eines Zeitraums von 12 Jahren wurden dabei untersucht. Als Grundlage dienten Falldokumentationen und Gutachten, daneben die Befragung von Fachkräften und ehemaligen Klienten. Jungmann hat bis zum Ruhestand die Kinder- und Jugendpsychiatrie des Klinikums am Weissenhof in Weinsberg geleitet und ist als Supervisor bei Scout tätig. Er hat die Studie gemeinsam mit Martin Eipper und Jochen Salvasohn beim Treff Sozialarbeit vorgestellt.
Vor der Hilfe oft schon monatelang nicht mehr in der Schule
„Sehr viele der Jugendlichen haben Traumatisierungen durch eine massive Vernachlässigung in den ersten Lebensjahren erlebt“, sagt Jungmann. Bei über der Hälfte der ausgewerteten Fälle fing die Störung im Sozialverhalten schon in der Kita an und hat sich in der Schule fortgesetzt. „Mit der Einschulung kamen die Kinder vom Regen in die Traufe.“ 49 Prozent der untersuchten Jugendlichen hatten länger als ein halbes Jahr kein Klassenzimmer mehr betreten.
Bei „Scout“ ist der Unterricht Pflicht: Stefan Zeiser ist Lehrer des hauseigenen Schulangebots. Er hat berichtet, dass fast alle in der entsprechenden Altersgruppe den Hauptschulabschluss erreichen. „Wir setzen nicht auf Strafe, sondern auf das Erkennen der eigenen Stärken. Anfangs sitzen die Jugendlichen noch mit der Kapuze über dem Kopf im Unterricht. Aber es dauert nicht lange, dann machen sie mit, wollen objektiv bewertet werden und Klassenarbeiten schreiben.“
Die meisten jungen Männer sind selbstständiger geworden
14 Prozent der jungen Männer haben nach dem Aufenthalt bei Scout eine Berufsausbildung angefangen, 12 Prozent ein berufsvorbereitendes Praktikum, 13 Prozent sind im Anschluss auf die Realschule gegangen. Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen und eine Perspektive für ein selbstbestimmtes Leben zu entwickeln: Das soll ein Aufenthalt bei Scout bewirken. Tatsächlich sind laut Studie 74 Prozent der untersuchten Jugendlichen selbstständiger geworden.
77 Prozent der Befragten, die ein Jahr oder länger bei Scout waren, haben angegeben, ihr Verhalten habe sich verbessert. Je älter die betreuten Jugendlichen waren, desto deutlicher wurde die positive Veränderung durch die Fachkräfte und von den Betroffenen selbst wahrgenommen. „Für uns stellt sich nach der Studie die Frage, ob unser Konzept für Jüngere bis 15 Jahren das Richtige ist“, sagt Jochen Salvasohn. Martin Eipper ergänzt: „Gerade aus dieser Altersgruppe haben wir aber viele Anfragen.“ Ein anderes Ergebnis: Je länger der Aufenthalt war, desto wirksamer war er. Zwei Jahre sind effektiver als eine Verweildauer von unter einem Jahr, hat die Studie ergeben.
Jugendliche gewinnen Vertrauen in sich
Für den Psychiater Joachim Jungmann hat die Auswertung der Fragebögen, Interviews und Falldokumentationen eindeutig gezeigt: „Die Arbeit von Scout ist nicht umsonst, die Jugendlichen gewinnen dort wieder Vertrauen in sich selbst.“ Für den pädagogischen Leiter Jochen Salvasohn ist durch die Studie umso klarer, dass die psychischen Belastungen der Jugendlichen stärker in den Blick genommen werden müssen. Auch wenn diese solche Belastungen bei sich selbst nicht sehen wollen. „Doch gerade deshalb müssen wir mit den Jugendlichen niedrigschwellig intensivpädagogisch arbeiten.“ (ds)