eva sucht Gastfamilien für junge Menschen, die nach Deutschland geflüchtet sind - Chance, andere Kulturen kennenzulernen
Remshalden / Rems-Murr-Kreis. Wo möchten die meisten Kinder und Jugendlichen leben? In einer Familie. Das ist für junge Menschen, die nach Deutschland geflüchtet sind, nicht anders. Manche von ihnen kommen allerdings allein hier an. Ihre Eltern leben nicht mehr oder haben sie ins Ausland geschickt, damit wenigstens die Kinder in Sicherheit sind. Solche „Unbegleiteten minderjährigen Ausländer“ (UmA) können in Gastfamilien unterkommen – wie Karim (Name geändert), der mit 15 Jahren aus dem Irak nach Deutschland geflohen ist. Hier hat er ab 2016 zwei Jahre lang bei der Familie K. in Remshalden gelebt. Die Evangelische Gesellschaft (eva) sucht weitere Familien, die sich vorstellen können, einen jungen Menschen bei sich aufzunehmen.
Als Karim nach Deutschland gekommen ist, war sein Vater seit mehr als zehn Jahren tot. Seine Mutter hat das zweitjüngste von neun Kindern zusammen mit dessen 20-jährigem Bruder Samir (Name geändert) nach Deutschland geschickt. Der Krieg im Irak und die Verfolgung der Jesiden durch die IS hatte damals schon die Hälfte der Familie aus dem Land getrieben. Karims Mutter lebte zu dieser Zeit noch im Irak.
Anderer kultureller Hintergrund, aber ähnliche Interessen wie die eigenen Kinder
Zunächst hat Karim einige Monate auf dem Mönchshof in Kaisersbach und anschließend in einer Asylunterkunft in Waiblingen gelebt. Kurz nach seinem 16. Geburtstag konnte er im August 2016 zu Familie K. ziehen. „Die Familie hat mich nicht als Fremden behandelt“, berichtet Karim. Für die vier Kinder der Familie K. gab es jetzt ein Geschwisterkind mehr, „Karim war wie ein großer Bruder“, erzählt A., die damals 9 Jahre alt war. Das bestätigt Frau K.: „Wir sind mit ihm wie mit einem eigenen Sohn umgegangen.“
Der neue Bruder und Sohn hatte zwar einen anderen kulturellen Hintergrund, aber ähnliche Interessen wie die anderen vier Kinder: Viel Spaß an sozialen Medien, weniger an der Hausarbeit. „Wir haben dieselben Erfahrungen mit Karim gemacht wie mit unseren Kindern“, berichtet Herr K.: „Aufgrund der Familiengröße, der unterschiedlichen Dienste und dem ‚Regelwerk‘ hat es manchmal etwas gedauert, bis die Dinge in Fleisch und Blut übergegangen sind. Doch das war bei allen Kindern ähnlich.“
Für Karim war alles anders als gewohnt
Für Karim war damals alles neu: Es gab anderes Essen als gewohnt; auch die Essensgewohnheiten waren anders als die bisherigen. Seinen Bruder Samir konnte er in der neuen Umgebung nicht mehr so oft sehen. Auch die neue Sprache war fremd, „alles war nur auf Deutsch“. Der damals 15-jährige J. erinnert sich, dass es „trotz der kulturellen Unterschiede sehr viele Gemeinsamkeiten zwischen uns gegeben hat.“ A., der damals 8 war, erzählt: „Karim war immer für mich da. Wir haben viel gelacht, Ausflüge gemacht, zusammen Fußball gespielt und viel Döner gegessen.“
2018 ist Karim bei Familie K. ausgezogen. Seine Mutter hatte es geschafft, nach Deutschland zu fliehen und konnte ihre Söhne zu sich holen, wo sie heute noch leben. Vorher hatte Karim – trotz der fremden Sprache – noch bei seiner Gastfamilie die Hauptschule abgeschlossen und direkt im Anschluss einen Ausbildungsplatz gefunden. 2021 hat er sehr erfolgreich seine Ausbildung abgeschlossen und dadurch automatisch die mittlere Reife erreicht. Heute arbeitet Karim als Facharbeiter für Lagerlogistik und macht berufsbegleitend seine Fachhochschulreife in Fellbach. „Wir sehen uns noch regelmäßig und sind im Austausch“, berichtet Herr K. „Normalerweise verbringt Karim Weihnachten bei uns. Wenn wir können, besuchen wir auch Hochzeiten seiner Familie.“
Kinder lernen soziales Engagement
Familie K. will bald einen weiteren jungen Menschen bei sich aufnehmen. „Man lernt andere Kulturen und Menschen kennen, die Kinder lernen soziales Engagement und Rücksichtnahme“, sagt Frau K. Doch nicht nur Vernunftgründe haben die Familie damals und heute bewogen, sich als Gastfamilie zur Verfügung zu stellen: „Als Christen ist die Not anderer Menschen für uns Grund genug!“ (uli)
Im Rems-Murr-Kreis bietet ein Trägerverbund Gastfamilien an: Die Evangelische Gesellschaft (eva), SOS Kinderdorf Württemberg und die Paulinenpflege Winnenden. Dabei kooperieren die Träger mit dem Kreisjugendamt Rems-Murr, in dessen Auftrag sie auch handeln.
Wer sich vorstellen kann, wie die Familie K. einen jungen Menschen in seine Familie aufzunehmen, erfährt Näheres darüber bei Ulrike Doktorczyk, Tel. 01 51.40 65 47 91, E-Mail Ulrike.Doktorczyk@eva-stuttgart.de.