Treff Sozialarbeit hat über Fallstricke und Möglichkeiten für junge Geflüchtete informiert
Stuttgart. Ohne Aufenthaltstitel kein Sprachkurs. Ohne Sprachkurs keine Ausbildung. Und ohne Beruf keine Bleibeperspektive: Für junge Geflüchtete ohne Papiere ist der Übergang von der Schule in den Beruf schwierig. Beim Treff Sozialarbeit der Evangelischen Gesellschaft (eva) haben Anita Sauer-Nagold und Johanna Di Dio Di Marco von der Fachstelle Migration der Stadt Stuttgart über Fallstricke und Möglichkeiten für Geflüchtete referiert.
Erst ein gesicherter asylrechtlicher Status macht zugewanderten Menschen die Integration möglich. Was aber tun, wenn die entsprechenden Papiere fehlen? Oder wenn der Asylantrag eines Geflüchteten aus Gambia abgelehnt wird, der junge Mann aber schon Aussicht auf eine Ausbildungsstelle hat?
Bei manchen Fragen ist Eile nötig
Anita Sauer-Nagold und Johanna Di Dio Di Marco sind als Mitarbeiterinnen der Fachstelle Migration der Stadt Stuttgart Expertinnen auf diesem Gebiet – und konnten bei manchen Fragen Entwarnung geben. Bei Fragen der Identitätsklärung legen sie jedoch großen Wert auf Eile sowie auf die Dokumentation aller Bemühungen. „Es gibt eine Mitwirkungspflicht zur Identitätsklärung“, so Johanna Di Dio Di Marco, „und Sie sollten als Sozialarbeiter ihre Klienten darauf hinweisen.“ Wenn die Frist verstrichen ist, während der die Identität geklärt werden muss, wird es für abgelehnte Asylbewerber schwierig bis unmöglich, einen Aufenthaltstitel zu bekommen.
Doch um diese Frist nicht verstreichen zu lassen, genügen auch Bemühungen: Etwa ein Telefonprotokoll, das dokumentiert, dass man sich im Herkunftsland um Pass-Ersatz bemüht hat und in dem das genaue Datum und die Namen der Gesprächspartner stehen. Auch die Recherche nach Schulzeugnissen, der Geburtsurkunde, dem Führerschein oder vergleichbarer Papiere sind zu dokumentieren – und sei es als Protokoll eines Chatverlaufs oder Ausdruck des Mailverkehrs.
Verschiedene Gesetze bei unterschiedlichen Herkunftsländern
Warum ist der Aufenthaltstitel überhaupt so wichtig für Geflüchtete? Anita Sauer-Nagold hat beim Treff Sozialarbeit zunächst einmal über die Grundzüge des Ausländerrechts referiert. Hier wird unterschieden zwischen dem Freizügigkeits-Gesetz, das Angehörige der Europäischen Union betrifft, und dem Aufenthalts-Gesetz, das für Menschen aus sogenannten Drittstatten gilt. Staatsbürger aus Drittstatten brauchen ein Visum – was für Menschen, die fliehen, selbstverständlich unmöglich ist. Und sie benötigen einen Aufenthaltszweck: Das kann die Aufnahme einer Ausbildung oder eines Studiums sein, die Suche nach Arbeit, der Familiennachzug oder das Asyl – also ein Aufenthalt aus humanitären Gründen.
Geflüchtete Menschen sind zunächst einmal illegal – eben ohne Visum – eingereist. „Das ist sozusagen schon eine Straftat“, so Anita Sauer-Nagold. Sie müssen sich bei der Landes-Erstaufnahmeeinrichtung in Karlsruhe melden oder sie werden von der Polizei oder der Bahnhofsmission dorthin vermittelt. Das Asylverfahren, das dann in Gang gesetzt wird, geht vom Stellen eines Antrags über die Anhörung bis zur Entscheidung.
Besser legal ausreisen als Abschiebung zu riskieren
In dieser Phase bekommen die Geflüchteten in der Regel den Aufenthaltstitel „Flüchtlingseigenschaft“ zugesprochen, der drei Jahre gilt. Mit ihm ist es möglich, eine Arbeit aufzunehmen; Sozialleistungen und ein Integrationskurs werden bezahlt. Der Titel „Subsidiärer Schutz“ berechtigt ebenfalls dazu, allerdings gilt dieser höchstens ein Jahr. Auch der Familiennachzug ist in beiden Fällen möglich.
Wird der Asylantrag jedoch abgelehnt, muss der Geflüchtete innerhalb von 7 bis 30 Tagen Deutschland verlassen. „Legal auszureisen ist immer besser, als abgeschoben zu werden“, sagt Johanna Di Dio Di Marco. Denn nur wer das Land legal verlassen habe, könne später möglicherweise zurückkehren.
„Ausbildungsduldung“ für junge Menschen
Die häufig ausgesprochene Duldung ist kein Aufenthaltstitel, sondern bedeutet nur, dass die Abschiebung ausgesetzt wird. Es gibt jedoch Wege aus der Duldung nach Paragraf 25 des Aufenthaltsgesetzes. Dieser Paragraf gilt für „gut integrierte Jugendliche“, die seit vier Jahren mit einem Aufenthaltstitel – also legal – in Deutschland leben, die vier Jahre lang eine Schule besucht oder einen Beruf erlernt haben, die eine „positive Zukunftsperspektive“ haben und die diesen Antrag nach Paragraf 25 vor ihrem 21. Geburtstag stellen.
Wenn ein Asylantrag abgelehnt worden ist, gibt es einen anderen Weg: Dann kann ein Aufenthaltstitel nach Paragraf 60 c des Aufenthaltsgesetzes gewährt werden. Die Voraussetzungen dafür sind, dass die Identität geklärt ist bzw. der Antragssteller sich darum bemüht hat – und dass ein Ausbildungsvertrag vorliegt. Diese sogenannte „Ausbildungsduldung“ kann frühestens sieben Monate vor Beginn der Ausbildung beantragt werden und gilt für die Dauer dieser Ausbildung. „Auch nach dem Abschluss der Ausbildung gibt es weitere Möglichkeiten“, klärt Johanna Di Dio Di Marco auf und verweist auf das Aufenthaltsgesetz, das für qualifizierte Geduldete möglich ist – nach Studium oder Ausbildung, nach einer dreijährigen qualifizierten Beschäftigung und dem Erlangen des Sprachniveaus B1.
Was diese Möglichkeiten des legalen Aufenthalts auch nach einem abgelehnten Asylantrag jedoch schnell zunichte macht, sind Straftaten, die über das Maß von 50 Tagessätzen hinausgehen. „Das hört sich erst einmal viel an, ist als Strafmaß aber schnell erreicht“, weiß Anita Sauer-Nagold. (ds)