Fortbestand der erfolgreichen Kindersozialarbeit in Weilimdorf gefährdet - Das Projekt ist nur bis Ende 2016 finanziert - eva-Verantwortliche setzen sich für Regelfinanzierung durch Stadt und Land ein
Stuttgart. Kinder nehmen immer häufiger jugendtypische Verhaltensweisen an – und das schon im Alter zwischen 8 und 13 Jahren. Cliquen treffen sich an öffentlichen Plätzen, konsumieren Tabak und Alkohol, sind laut oder beschimpfen Passanten. Das gilt auch für den Stuttgarter Stadtteil Weilimdorf. Die Mitarbeitenden der Mobilen Jugendarbeit dort haben während ihrer Streetwork-Gänge vermehrt solche Kinder getroffen. Die Aufgabe der Fachkräfte ist allerdings, sich um Jugendliche zu kümmern. Da kam eine Ausschreibung des Sozialministeriums recht – ab April 2015 konnte die Evangelische Gesellschaft (eva) ihre Kindersozialarbeit in Weilimdorf mit einer 50 Prozent-Stelle aufbauen. Nach einem Jahr ist klar: der Bedarf ist weit höher als zu Beginn vermutet. Das Projekt ist allerdings nur bis Ende 2016 finanziert. Damit ist der Bestand der Arbeit gefährdet.
Cathrin Maier arbeitet vor allem im Stadtteil Pfaffenäcker. Hier kam es vor dem Aufbau des neuen Projekts häufiger zu Problemmeldungen durch die Anwohner. Seit einem Jahr geht die Sozialpädagogin auf Kinder im Alter von 8 bis 13 Jahren zu, die im Stadtteil auffällig werden. Viele, die sie antrifft, sind nicht dem Wetter entsprechend gekleidet oder zeigen andere Zeichen von Verwahrlosung. Zunächst hat die Kindersozialarbeiterin einzelne Kinder oder kleinere Gruppen zu kleineren Aktionen eingeladen. Die Sozialpädagogin konnte beobachten, dass viele Kinder nicht ausreichend und gut ernährt sind. So haben sie bei Treffen mit ihr häufig den Wunsch, etwas zu backen oder zu kochen.
Im Stadtteil Pfaffenäcker gab es bisher keine Anlaufstelle für Kinder. Bei anderen Angeboten – zum Beispiel in der Schule, bei der Ganztagesschulbetreuung oder in Vereinen – können die betroffenen Kinder durch ihr Verhalten nur schwer integriert werden.
Kinder sprechen inzwischen Themen an, die sie belasten
Aus den vereinzelten Aktionen und dem Kontakt zu 132 Kindern zwischen 6 und 13 Jahren konnte Cathrin Maier inzwischen 25 intensive Einzelfallkontakte entwickeln. Daneben hat sie Kontakt zu Eltern aufgenommen. So kann sie die familiären Verhältnisse besser kennenlernen und den Eltern Hilfe bei Erziehungsfragen anbieten. Schließlich hat sie einen Arbeitskreis ins Leben gerufen, an dem Vertreter der für Kinder wichtigen Einrichtungen im Stadtteil Pfaffenäcker teilnehmen. Diese vernetzen ihre Arbeit zum Wohl der Kinder und Familien und planen gemeinsame Aktionen wie einen Laternenumzug.
Seit dem Frühsommer 2015 betreut die Sozialpädagogin zwei Clubs mit je fünf Mädchen zwischen 9 und 12 Jahren, die sich wöchentlich treffen. Dann unternehmen die Kinder unterschiedliche Dinge. So erfahren sie, wie sie ihre Freizeit sinnvoll gestalten können. Sie diskutieren beim gemeinsamen Kochen oder Backen, wie man eine faire Aufgabenverteilung hinbekommt. Beim Basteln von Weihnachtssternen sprechen sie über die unterschiedlichen Feste in den verschiedenen Religionen. Davor kaufen sie gemeinsam ein, dabei bekommen sie alltagspraktische Kenntnisse und lernen den Umgang mit Geld.
Nach einer anfänglichen Kennenlernphase sind die Kinder inzwischen bereit, Themen anzusprechen, die sie belasten, oder Fragen zu stellen, für die sie bisher nicht die richtigen Ansprechpartner gefunden haben. Das Projekt ist allerdings nur bis Ende 2016 über Landesmittel finanziert, die das Sozialministerium zur Verfügung stellt. Diese Mittel werden durch Gelder von eva´s Stiftung ergänzt.
Der Bestand der Arbeit ist gefährdet. Der bisherige Verlauf des Projekts zeigt deutlich, dass es einen dauerhaften Bedarf für Mobile Kindersozialarbeit gibt. Die eva fordert deshalb die Verantwortlichen dazu auf, diese Sozialarbeit in die Regelfinanzierung von Stadt und Land aufzunehmen. Allerdings ist das frühestens ab 2018 möglich, weil der Stuttgarter Gemeinderat erst dann den neuen Doppelhaushalt beschließt. Deshalb sind für 2017 weitere Projekt- und Fördergelder nötig. „Kinder brauchen verlässliche Beziehungen. Wenn das Projekt zeitlich unterbrochen werden würde, wäre der Erfolg der Mobilen Kindersozialarbeit in Weilimdorf nicht nachhaltig“, erklärt Wolfgang Riesch, der als stellvertretender Bereichsleiter Jugendsozialarbeit bei der eva für das Projekt verantwortlich ist. „Deshalb benötigen wir Unterstützung, damit wir diese wichtige Arbeit kontinuierlich fortführen können.“