Treff Sozialarbeit hat sich mit den Auswirkungen der Pandemie auf die Soziale Arbeit beschäftigt – Forschungsprojekt der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg vorgestellt
Die Türen der Gemeindepsychiatrischen Zentren (GPZ) waren geschlossen, doch die Arbeit der Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter ging weiter – auf Spaziergängen mit den Klienten oder auf neuen digitalen Wegen. Ein Forschungsprojekt der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg hat sich mit den Auswirkungen der ersten Lockdowns ab März 2020 auf die Soziale Arbeit beschäftigt und dabei die GPZs in Stuttgart unter die Lupe genommen. Beim Treff Sozialarbeit der Evangelischen Gesellschaft (eva) wurden die Ergebnisse vorgestellt, die die Sicht der Mitarbeitenden und die der Besucher widerspiegeln.
In der ersten Phase des Lockdowns viel bei Spaziergängen besprochen
Ein Laptop für dreißig Mitarbeitende – das war im Frühjahr 2020 die technische Ausstattung für das mobile Arbeiten im GPZ in Birkach, das heute in Sillenbuch untergebracht ist. Joachim Schittenhelm, der Leiter, erinnert sich an die erste Phase des Lockdowns als Zeit der Knappheit: Auch die Räume für die Mitarbeitenden, die nicht mehr zusammen in den Büros sitzen konnten, waren knapp. „Unsere Mitarbeitenden haben in dieser Zeit viel mit den Klienten draußen bei Spaziergängen besprochen.“
Für Schittenhelm war das Besorgen von Masken, die damals kaum zu erhalten waren, und die Anpassung an die Regeln, die sich im Wochenrhythmus geändert haben, eine große Herausforderung. Dass das digitale Arbeiten heute für die Fachkräfte im Sillenbucher GPZ eine Selbstverständlichkeit ist, dass mittlerweile ausreichend Laptops und Smartphones vorhanden sind: Das ist für ihn eine der wichtigsten Veränderungen durch Corona.
Struktur des Alltags ging für psychisch Erkrankte verloren
Sandra Fietkau, Professorin an der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg, hat gemeinsam mit Studierenden die offiziellen Dokumente der Stuttgarter GPZs und des Ambulant Betreuten Wohnens (ABW) für psychisch Erkrankte ausgewertet. Zudem hat sie in Fragebögen von Nutzenden der GPZs und von Mitarbeitenden erhoben, wie sie die Zeit des Lockdowns erlebt haben, und hat dazu auch Einzelinterviews geführt. An was sich die Mitarbeitenden positiv erinnern: Der Kontakt zu den Klientinnen und Klienten war bei den Terminen intensiver als gewöhnlich. Allerdings hat bei den psychisch Erkrankten auch die Einsamkeit zugenommen, als die Türen der GPZs geschlossen waren; für viele ist die Struktur des Alltags verloren gegangen. Die Gespräche mit den Mitarbeitenden waren oft der einzige Kontakt mit der Außenwelt.
Auch die Wahrnehmung des Zuhauses hatte sich für viele verändert: „Es hat sich wie ein Gefängnis angefühlt“, zitiert Sandra Fietkau aus einem Interview. Das haben Klientinnen und Klienten wie Mitarbeitende gleichermaßen so empfunden. Eine Klientin hat die durch den Gesundheitsschutz erzwungene soziale Isolation positiv bewertet: „Früher wurde ich kritisiert, weil ich auf dem Sofa sitze, jetzt rette ich so Menschenleben.“
Neue Formen des Austauschs via Zoom positiv
Die Zusammenarbeit im Team haben die Befragten überwiegend als sehr gut erlebt, genau wie die neuen Formen des Austauschs via Zoom. Das mobile Arbeiten, die Möglichkeit, einen längeren Bericht im Homeoffice zu schreiben und auch die Achtsamkeit der Team-Mitglieder untereinander, das sollte auf jeden Fall bleiben, so die Aussagen der Befragten. Auch neue Angebotsformen, wie etwa Beratungsgespräche beim Spaziergang, sowie Hygienemaßnahmen, die die eigene Gesundheit schützen, sollten sich etablieren.
Rosel Tietze, die bei der Stadt Stuttgart für die Sozialplanung zuständig ist, lobte beim Treff Sozialarbeit die Kreativität der Mitarbeitenden in den Tagesstätten, die sich um psychisch Erkrankte kümmern. Simone Hebel und Iris Range vom GPZ West haben mit den Klientinnen und Klienten viel telefoniert, um während der Schließung weiter ansprechbar für die Menschen mit psychischer Erkrankung zu sein. Frustrierend sei gewesen, dass die lang vorbereitete und zig Mal den Vorschriften angepasste Weihnachtsfeier am Ende gar nicht stattfinden durfte – wenigstens Päckchen für die Feier daheim haben die GPZ-Nutzenden stattdessen bekommen. Als Gewinn hat Simone Hebel während der Lockdowns die Entschleunigung, den Zusammenhalt im Team und das Aufbrechen alter Muster erlebt. Die Flexibilität, die in der Pandemie besonders gefragt war, möchte sie auch in der Zeit nach Corona behalten. (ds)