Stuttgart/Esslingen. Wofür geben Jugendliche heute ihr Geld aus? Wie wichtig ist es ihnen, das „richtige“ Smartphone, die „richtigen“ Sneakers zu besitzen? Wie sind Konsum und Identität bei jungen Menschen verknüpft? Diese Fragen standen bei einem zweisemestrigen Lehrforschungsprojekt der Hochschule Esslingen im Mittelpunkt. Sozialwissenschaftler Prof. Dr. Kurt Möller hat gemeinsam mit Studierenden junge Leute nach ihrem Konsumverhalten befragt: „Normalos“ und Marken-Anhänger genauso wie Konsumkritische und Veganer. Aus der Projektarbeit ist ein Buch entstanden, das jetzt erschienen ist. „Hol ich mir. Geld, Konsum & Geltung“ gibt mit vielen Interviews und Erfahrungsberichten Einblicke in die Gedankenwelt von Jugendlichen.
„Viele Jugendliche, die wir befragt haben, gehen sehr reflektiert mit dem Thema Konsum um. Das hätte ich so nicht erwartet“, sagt Sarah Schröder. Die 24-Jährige, die mittlerweile seit Juli 2015 bei der Evangelischen Gesellschaft (eva) als Sozialarbeiterin tätig ist, war an dem Studienprojekt beteiligt. Eine Gruppe von 19 Studierenden hatte das Konzept für das Forschungsprojekt erarbeitet, Interviews geführt und ausgewertet. Die Studierenden befragten dabei nicht nur Jugendliche und junge Erwachsene zu Konsum, Marken und Identität, sondern ließen sich auch auf manches Experiment ein. So hat eine Mitstudentin zum Beispiel eine Woche im Kloster gelebt, um zu verstehen, warum sich Menschen freiwillig für ein Leben in Armut, Keuschheit und Gehorsam entscheiden.
„Sieht übertriebenst gechillt aus!“
Und so fächert das Buch eine enorme Bandbreite auf: Eine 16-jährige Realschülerin erzählt beispielsweise davon, dass sie Billig-Kleider-Ketten aufgrund der schlechten Herstellungsbedingungen boykottiert. Sie wolle „keine Welt, wo alles auf Besitzen-Wollen und Haben-Wollen und Aufeinander-Draufhauen basiert“. Sie trägt gerne Second-Hand-Klamotten, geht containern und beschäftigt sich mit Nachhaltigkeit. Bei anderen Jugendlichen dreht sich dagegen alles um Marken. Wer nicht die richtigen Sneakers trägt, ist in der Klasse ein Außenseiter. „Was wäre, wenn du mit No-Name-Schuhen kommen würdest?“, wird der Hauptschüler Enver gefragt. „Die würden sagen: Ihh Junge! Was bist du für ein Mensch? Das würde echt so sein“, sagt der Achtklässler. Auch beim Smartphone eines bekannten Herstellers geht es nicht so sehr um Funktionen, sondern um Style. „Das sieht übertriebenst gechillt aus“, sagt Raphael. „Wenn man das rausholt, kann man sagen: Ich bin trend.“
Ziel des Projekts war es, mehr über den Zusammenhang von Konsum und Identitätsfindung bei jungen Menschen herauszufinden, so Sarah Schröder. „Wir wollten den Jugendlichen eine Stimme und eine Plattform geben, ohne ihr Konsumverhalten zu bewerten.“ Ganz nebenbei erfährt der Leser auch, was einen Hipster von einem Swagger unterscheidet, und warum es gerade im Trend liegt, möglichst normal auszusehen.
Info: Kurt Möller (Hg.): Hol ich mir. Geld, Konsum und Geltung. Archiv der Jugendkulturen Verlag: 2016. ISBN:978-3-945398-16-6; 26 Euro.