Einsamkeit ist wichtiges Thema bei der Stuttgarter TelefonSeelsorge – Gründe sind bei verschiedenen Altersgruppen unterschiedlich
Stuttgart. Weit über ein Fünftel der Menschen, die sich bei der evangelischen und katholischen TelefonSeelsorge in Stuttgart melden, sind einsam. Die Gründe für das beklemmende Gefühl sind bei jungen Menschen, Erwachsenen im Erwerbsalter und Senioren unterschiedlich. Das zeigt sich bei der TelefonSeelsorge deutlich, weil die verschiedenen Altersgruppen bevorzugt unterschiedliche Zugänge nutzen.
Schon seit Jahrzehnten gibt es die Seelsorge am Telefon, die rund um die Uhr erreichbar ist, 7 Tage die Woche, 365 Tage im Jahr. 2022 haben durchschnittlich jeden Tag 84 Frauen und Männer bei den beiden Seelsorgestellen angerufen – tagsüber auf vier Leitungen, nachts auf zwei. Drei von vier Anrufenden sind über 40 Jahre, mehr als ein Drittel sogar über 60 Jahre alt. Die Zahlen belegen, dass das Thema Einsamkeit und Isolation bei den Anrufenden an erster Stelle steht – es liegt bei 23,3 Prozent. Was sich hier zeigt, ist Alterseinsamkeit. Die Menschen, die anrufen, kennen zum Teil niemanden, mit dem sie sprechen können. Zuweilen hören die Frauen und Männer am Telefon, dass Anrufende nur noch mit ihnen sprechen: „Haben Sie Zeit… ich möchte reden… Sie sind die Einzige, wo ich mich das traue.“
Mehr als ein Drittel der Ratsuchenden hat eine psychiatrische Diagnose
Seit 2004 bietet die evangelische TelefonSeelsorge Stuttgart als eine der ersten Stellen in Deutschland MailSeelsorge an. Mailberatungen sind eher eine längerfristige Begleitung, die sich manchmal über mehrere Monate erstreckt. Mehr als die Hälfte von deren Ratsuchenden sind zwischen 20 und 39 Jahre alt: Menschen, die zwar mitten im Leben stehen, aber gewohnt sind, funktionieren zu müssen. Sie suchen sich oft erst dann Hilfe, wenn es gar nicht mehr geht. Das zeigt sich an den Problemen, mit denen sie kämpfen: 37,6 Prozent der Ratsuchenden haben eine psychiatrische Diagnose. Unter Einsamkeit leiden 16,1 Prozent. „Ich hab das Gefühl, dass alle meine Freunde und Kollegen um mich herum ihr Leben total im Griff haben und mich gar nicht verstehen würden, wenn ich ihnen von meinen Selbstzweifeln erzählen würde. Und ich will dann nicht als Loser dastehen“, schreibt ein Beratener.
Ratsuchende können sich auch per Chat an die TelefonSeelsorge wenden. Das tun vor allem Jüngere; mehr als die Hälfte der Chattenden ist bis zu 30 Jahre. 13,5 Prozent der Chattenden sind einsam. Für die jungen Menschen war die Pandemie und die damit verbundene Vereinzelung besonders dramatisch. Denn sie müssen sich von ihren Eltern abgrenzen, um eigene Beziehungsnetze zu knüpfen. „Diese ganze negative Stimmung bei meinen Eltern drückt mich total runter und raubt mir jede Kraft“, schreibt eine junge Chatterin.
Für alle Altersgruppen, die Kontakt zur TelefonSeelsorge aufnehmen, gilt: Einsamkeit macht körperlich krank, sie hat psychische Auswirkungen und wirkt lebensverkürzend. Die Seelsorgerinnen und Seelsorger versuchen, aufzufangen, mit auszuhalten, zu teilen, mitzutragen. Wenn möglich weisen sie die Anrufenden daneben darauf hin, wie sie ihre Lage verbessern können. (uli)
Die TelefonSeelsorge ist an sieben Tagen die Woche rund um die Uhr kostenlos erreichbar: Die evangelische TelefonSeelsorge Stuttgart unter 0800.111 0 111, die katholische Stelle Ruf und Rat unter 0800.111 0 222.
Termine für die Chat- und die Mailberatung können über die Homepage der TelefonSeelsorge unter https://online.telefonseelsorge.de vorab bei einem Ehrenamtlichen „gebucht“ werden.