Oliver Fricke, Leiter der Jugendpsychiatrie am Klinikum Stuttgart, hat beim Treff Sozialarbeit ein fachübergreifendes Krisenmanagement gefordert
Weil Jugendliche beim Übergang ins Erwachsenenalter in der Adoleszenzphase besonderen Gefährdungen ausgesetzt sind, macht sich Professor Oliver Fricke für eine eigenständige speziell auf diese Übergangsphase zugeschnittene Psychiatrie und Psychotherapie stark. Beim jüngsten Treff Sozialarbeit der Evangelischen Gesellschaft Stuttgart (eva) forderte der Ärztliche Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie am Klinikum Stuttgart „eine gelingende Transitionspsychiatrie für den Übergang ins Erwachsenenalter im Sinne eines Transitionsmanagements“.
Vor diesem Hintergrund stellte er in seinem Vortrag „Adoleszenz und Transition“ die neu eingerichtete „Station für Adoleszente und junge Erwachsene“ im Zentrum für Seelische Gesundheit (ZSG) am Klinikum Stuttgart vor. Die Einrichtung mit neun Plätzen, die am 16. Oktober ihre Arbeit aufnimmt, soll die Lücke in der Behandlung zwischen Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie Erwachsenenpsychiatrie schließen. Junge Menschen im Alter von 16 bis 21 Jahren sollen lernen, ihre chronisch verlaufenden psychischen Erkrankungen zu verarbeiten und mit ihnen umzugehen. Ziel ist ihre Integration in Schule, Studium oder Berufsleben.
Handlungsleitfaden für Krisen
Außerdem sprach sich Fricke für eine Stärkung der Fachkräfte vor Ort im Blick auf psychiatrische Fragestellungen. Auch eine Handlungsleitung für die beteiligten Einrichtungen sollte es im Fall von plötzlich auftretenden Krisen bei Jugendlichen geben, betonte Fricke im Gespräch mit Fachkräften von Hilfseinrichtungen der eva für Jugendliche.
Zuvor ist Fricke auf die Gefährdungen eingegangen, denen Jugendliche in der Adoleszenzphase beim Übergang ins Erwachsenenalter ausgesetzt sind. Dazu gehören Selbstverletzungen, Essstörungen, Depressionen, Aggressionen, Autoritäts- und Identitätskrisen. Dabei sind die Angst-, Panik, Zwangs- und Essstörungen eher Mädchen zuzuordnen, während aggressives Verhalten oder Alkohol- und Drogenkonsum eher bei Jungen anzutreffen sind. So sind Störungen im Umgang mit Essen bei 40 bis 60 Prozent aller jugendlichen Mädchen in westlichen Ländern als Risikoverhalten zu beobachten.
Ein jugendspezifisches Modell fehlt bislang
Fricke bedauerte, dass im Blick auf die vielfältigen Persönlichkeitsstörungen bisher ein jugendspezifisches Modell fehlt. Immerhin weisen nach seinen Angaben 46 Prozent aller 13-Jährigen und 33 Prozent aller 16-Jährigen Persönlichkeitsauffälligkeiten auf. Seiner Ansicht nach muss eine bedarfsgerechte, interdisziplinäre und fachübergreifende Expertise aufgebaut werden. Außerdem ist eine gemeinsame Behandlungsplanung notwendig ebenso bei schweren Fällen eine parallele Behandlung von mehreren Wochen oder Monaten im kinder- und jugendpsychiatrischen und im erwachsenenpsychiatrischen Versorgungssystem.