Wenn Eltern psychisch erkrankt sind, leiden darunter immer auch die Kinder. Bisher waren diese aber erst dann in den Blick des Hilfesystems geraten, wenn sie selbst auffällig wurden. Um dies zu ändern und die Kinder präventiv zu unterstützen, hat die Evangelische Gesellschaft (eva) gemeinsam mit Kooperationspartnern 2012 das Projekt Aufwind gestartet. Die Projektlaufzeit ist im März 2015 ausgelaufen; jetzt setzen sich die Verantwortlichen für eine Regelfinanzierung ein. Wie wichtig das Angebot ist, hat auch der Fachtag „Kinder im Mittelpunkt“ gezeigt, den die eva Ende April gemeinsam mit dem Caritasverband veranstaltet hat.
Beim Fachtag führten Expert/innen in eigener Sache in das Thema ein und berichteten von ihren persönlichen Erfahrungen. „Wenn meine Mutter in der Klinik war, hatten wir zwar immer wieder Haushaltshilfen, die sich um den Haushalt gekümmert haben, aber niemand hat mich gefragt: Wie geht es Dir?“, erzählte die erwachsene Tochter einer psychisch erkrankten Mutter. „Als mein jüngerer Bruder dann zwölf wurde, waren wir komplett auf uns alleine gestellt. Wir hätten uns eine Ansprechpartnerin gewünscht, die für uns in der schwierigen Zeit dagewesen wäre.“ Genau das leistet Aufwind: Fachleute aus der Sozialpsychiatrie und der Jugendhilfe unterstützen im Team einzelne Kinder und ihre Eltern. Darüber hinaus wurde im Projekt ein Patenschaftsmodell aufgebaut, bei dem Ehrenamtliche Helfer jeweils eine Familie begleiten. Mittlerweile sind acht ehrenamtliche Paten im Einsatz. Weitere Bausteine von Aufwind sind die Vernetzung bestehender Hilfsangebote sowie die Schulung von Multiplikatoren.
Allein von Januar 2013 bis August 2014 hat Aufwind 200 Familien mit minderjährigen Kindern und einem psychisch erkrankten Elternteil erreicht. Mehr als die Hälfte davon waren Ein-Eltern-Familien, das heißt: Es waren Kinder, die meist bei der alleinerziehenden psychisch erkrankten Mutter aufwachsen und besondere Unterstützung benötigen. In dem genannten Zeitraum hat das Aufwind-Team außerdem bei 149 Veranstaltungen die Öffentlichkeit über die besondere Situation von Kindern psychisch kranker Eltern informiert sowie Multiplikatoren geschult.
Beim Fachtag „Kinder im Mittelpunkt“ stand neben Aufwind auch das Projekt Pro Kids im Fokus, mit dem der Caritasverband für Stuttgart Kinder aus suchtbelasteten Familien unterstützt. Auch ProKids verfügt derzeit nur über eine befristete Finanzierung bis Ende des Jahres. Experten diskutierten bei der Veranstaltung über die Frage: Wie können Familien aus dem Erfahrungsschatz beider Projekte nachhaltig profitieren?
„Aufwind und Pro Kids haben bisher viele Kinder und Familien erreicht, die durch das Regelsystem nicht aufgefangen werden“, sagt Kirsten Wolf, Projektkoordinatorin von Aufwind. „Insbesondere die Niederschwelligkeit der Angebote ist hierfür wichtig und sollte erhalten bleiben.“ Gemeinsam wollen sich eva und Caritas daher dafür einsetzen, dass der Gemeinderat der Stadt Stuttgart im nächsten Doppelhaushalt 2016/17 die finanzielle Förderung beider Projekte berücksichtigt.