Neues Multifamilientraining der eva hilft, Konfliktsituationen zu meistern
Dass Kinder nicht immer tun, was ihre Eltern wollen, ist normal. Doch was, wenn die Eltern sich gar nicht mehr durchsetzen können? Wenn der Alltag immer anstrengender wird, die Eltern nicht mehr weiterwissen? Und auch die Kinder zunehmend desorientiert sind? Dann gibt es die Möglichkeit, über Hilfen zur Erziehung fachliche Unterstützung in der Familie zu bekommen. Wenn das nichts nützt oder es dafür schon zu spät ist, kommen manche Kinder in ein Heim. Einen neuen Ansatz testet die Evangelische Gesellschaft (eva) im Rems-Murr-Kreis: Im „Multifamilientraining“ der Dienste für Kinder, Jugendliche und Familien in der Region sind die Eltern nicht nur Beratene. Sie beraten auch selbst und werden damit zu Experten in Erziehungsfragen. Zunächst sind drei Projekt-Jahre geplant.
Seit Juli 2013 treffen sich mehrere Familien regelmäßig in Gesprächsgruppen, unterstützt von professionellen Trainern. Anders als in der traditionellen Beratung zwischen Fachkraft und Klienten beraten sich dabei Eltern in angeleiteten Gesprächsgruppen gegenseitig. So lernen sie nicht nur miteinander, sondern auch voneinander. Und finden bei diesem „Multifamilientraining“ gemeinsam Lösungen, Strategien und neue Wege, um Schwierigkeiten mit ihrem Kind zu bewältigen.
Trainings für unterschiedliche Zielgruppen
Ziel des Multifamilientrainings ist, dass das Verhältnis zwischen Eltern und Kind stabiler und vertrauensvoller wird. Und zwar für unterschiedliche Gruppen von Familien: Zum einen für solche, bei denen die Kinder in der Familie leben. Die Familie trifft sich 14-tägig mit drei bis sechs anderen Familien, die ähnliche Probleme haben.
Zum zweiten gibt es Trainings für Eltern von Kindern und Jugendlichen, die im Weraheim leben. Dieses Training richtet sich an die ganze Familie, also neben dem Kind im Heim und seinen Eltern auch an Geschwister, falls es diese gibt. Ziel ist, dass ein Kind in seine Herkunftsfamilie zurückkehren kann.
Beim Multifamilientraining arbeiten alle an ihrer Familienbeziehung, gemeinsam mit anderen Familien in derselben Situation. Zum Beispiel, indem sie Konflikte bearbeiten, die es in der Familie gibt: Andere Eltern berichten, wie sie in derartigen Situationen reagieren und welche Strategien für sie hilfreich sind. Die teilnehmenden Kinder beschreiben die Situation aus ihrer Sicht und auch, was ihnen geholfen hat, aus einem Konflikt auszusteigen. Die Eltern merken, dass sie nicht alleine mit ihrer Hilflosigkeit sind, und erhalten Ideen für künftige Situationen.
Bisher 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmer verschiedener Altersgruppen
Wie bei Paula (Name geändert): Sie war 15, als sie im Mai 2013 im Weraheim aufgenommen wurde. Damals hatten sich die Konflikte zwischen Paula und ihrer Mutter dramatisch zugespitzt. Die Mutter konnte sich überhaupt nicht auf ihre Tochter verlassen. Paula fühlte sich in ihren Bedürfnissen von ihrer Mutter nicht verstanden. Nachdem Paula im Weraheim eingezogen war, war zwischen Mutter und Tochter zunächst kein Gespräch möglich. Im Multifamilientraining haben sie gelernt, einander zuzuhören und wieder Vertrauen zueinander aufzubauen. Sie haben Strategien entwickelt, wie sie Konfliktsituationen meistern können, und gemeinsam mit der Familiengruppe einen Plan für ihr künftiges Familienleben zu Hause aufgestellt. Im April 2013 ist Paula nach Hause entlassen worden. Sie und ihre Mutter werden durch eine Fachkraft dabei begleitet, das umzusetzen, was sie gelernt haben.
Paula gehört zu den insgesamt zwanzig Kindern und Jugendlichen, die im ersten Jahr gemeinsam mit zehn Erwachsenen an zwei Familiengruppen teilgenommen haben – einer Gruppe im ambulanten, einer im stationären Bereich. Dabei wurden sie jeweils von zwei professionellen Kräften – Trainerinnen und Trainern – begleitet.
Nach den drei Projektjahren wird Regelfinanzierung angestrebt
Das Multifamilientraining findet zunächst drei Jahre lang als Projekt statt. In dieser Zeit wird es gefördert von der GlücksSpirale, die rund 75.000 Euro dafür gibt. Weitere Gelder kommen von eva´s Stifung, von der Kreisbaugruppe Waiblingen sowie von der Weihnachtsaktion „Hilfe für den Nachbarn“ der Stuttgarter Zeitung. Nach der Projektphase wird für das Training eine Regelfinanzierung angestrebt.