Die Individuelle Schwerbehindertenassistenz muss rasch Assistenzkräfte ersetzen, die das Virus weitertragen könnten
Ein Unfall, eine Querschnittslähmung: für viele Menschen bedeutet das heute noch, nicht mehr selbstbestimmt leben zu können, sondern in ein Heim zu ziehen und sich den Abläufen dort anzupassen. Anders ist das für Menschen mit Behinderung, die von der Individuellen Schwerbehindertenassistenz (ISA) der eva unterstützt werden. Die Assistenzkräfte ersetzen bis zu 24 Stunden am Tag an sieben Tagen die Woche Arme und Beine. Damit garantieren sie den Assistenznehmenden einen unabhängigen Alltag. Das Corona-Virus ist für die Menschen mit Behinderung eine besondere Gefahr – sie gehören zu den Risikogruppen.
Bisher haben sich weder die 51 Assistenznehmenden noch die mehr als 260 Assistentinnen und Assistenten mit dem Coronavirus infiziert. Allerdings waren manche Assistenten in Kontakt mit Infizierten. „Sie haben sich sehr verantwortungsbewusst verhalten und uns informiert. Sie hatten Angst, sie könnten die Menschen, die sie unterstützen, anstecken“, erzählt Jürgen Beißwenger, einer der Koordinatoren der ISA. „Sie arbeiten jetzt erst mal nicht mit – eine Infektion könnte für die Assistenznehmenden tödlich sein, das riskieren wir nicht.“
Es gibt eine große Bereitschaft, sich mehr zu engagieren als sonst
34 Assistentinnen und Assistenten setzen im Moment aus, für sie musste rasch Ersatz gefunden werden. Die fünf Mitarbeitenden in der Einsatzleitung der ISA müssen zwar auch sonst flexibel auf Erkrankungen von Assistenzkräften reagieren, die Situation jetzt ist aber besonders herausfordernd – sie bedeutet noch mal weit mehr Koordinations-Aufwand. „Aber wir machen tolle Erfahrungen: Es gibt eine große Bereitschaft, sich mehr zu engagieren als sonst, da sind die meisten bei uns im Boot“, erzählt Beißwenger. „Viele unserer Assistenzkräfte studieren. Dass die Hochschulen geschlossen haben, entlastet uns: Diese Assistenten können jetzt mehr bei der ISA arbeiten.“
Daneben haben die Mitarbeitenden, die die Einsätze der Assistenzkräfte koordinieren, ehemalige Mitarbeitende angeschrieben. Der Rücklauf ist gut: Viele haben sich bereit erklärt, spontan einzuspringen und wieder bei der ISA auszuhelfen. Sie assistieren wieder bei allen Verrichtungen des täglichen Lebens, zum Beispiel beim Waschen und Einkaufen oder bei anfallenden Hausarbeiten.
"Wir freuen uns über alle, die sich dem Abenteuer ISA stellen möchten"
Und wie geht es den Assistenznehmenden, die durch das neue Virus besonders gefährdet sind? „Die sind größtenteils sehr ruhig und entspannt.“ Manche würden größere Vorsichtsmaßnahmen treffen, „vor allem die chronisch Kranken, die deutliche Lungenprobleme haben und teils beatmet werden müssen.“ Drei Assistenznehmende lassen sich im Moment zum Beispiel vorrangig von den Familienangehörigen pflegen.
„Freizeitvergnügen, die Uni, Urlaubsreisen, Kino- und Gaststättenbesuche sind abgesagt. Die ISA wird weder abgesagt noch verschoben. Wir freuen uns über alle, die sich dem Abenteuer ISA stellen möchten. Die Grundpflege und persönliche Assistenz für einen körperbehinderten Menschen sind viel interessanter, als daheim zu sitzen!“ sagt Gabi Kurzenberger, die Leiterin der ISA. Wer sich die Mitarbeit bei der ISA vorstellen kann: Jürgen Beißwenger freut sich über Anrufe unter Tel. 07 11.20 54-2 86 oder Mails an juergen.beisswenger[a]eva-stuttgart.de. (uli/red)