Ein Jubiläum in Zeiten der Pandemie – Gäste und „Stallengel“ haben mit Abstand Gottesdienste im Freien gefeiert – anschließend gab es Essen zum Mitnehmen
Stuttgart-Mitte. Seit 1945 gibt es eva´s Stall, längst ist die Feier für bedürftige Menschen weit über die Grenzen Stuttgarts hinaus bekannt. In den vergangenen Jahren kamen an Heiligabend und am ersten Weihnachtsfeiertag jeweils viele hundert Menschen ins Haus der Diakonie, in das die Evangelische Gesellschaft (eva) sie eingeladen hatte. Hunderte Menschen in geschlossenen Räumen – das ist in Corona-Zeiten nicht möglich. Doch auch 2020 hat die Stadtmission der eva an Weihnachten Gäste willkommen geheißen, diesmal zu einem Gottesdienst im Freien.
Weihnachtliche Stimmung – und das trotz Kälte im Freien? Dass das möglich ist, haben die Gäste von eva´s Stall an Heiligabend und am ersten Weihnachtsfeiertag jeweils zwei Stunden lang erlebt. Für die Veranstaltung war an den beiden Tagen die Straße zwischen Bibelmuseum und Haus der Diakonie der eva zeitweilig gesperrt. Sowohl an Heiligabend als auch am ersten Weihnachtsfeiertag hat die eva zunächst zu einem Gottesdienst eingeladen. Gestaltet wurde er von Pfarrer Klaus Käpplinger, dem Vorstandsvorsitzenden der eva, sowie Pfarrerin Stephanie Pfander. Käpplinger wies dabei auf die Botschaft von Weihnachten hin: „Mitten in der Corona-Pandemie ist Gott an unserer Seite und tritt ein für Vielfalt, Gerechtigkeit und Solidarität.“
Die Pandemie hat viele Menschen einsam gemacht. Wer arm ist, war in den vergangenen Monaten noch einsamer als andere. Denn private Einladungen sind kaum möglich, wenn das Geld gerade so fürs eigene Essen reicht. Dass ein feierliches, besinnliches Weihnachtsfest trotzdem möglich ist, haben die Gäste von eva´s Stall gespürt. Unter ihnen waren wohnungslose Menschen, die Stammgäste der Tagesstätte Wärmestube sind, große Veranstaltungen aber eher meiden. Nach dem Gottesdienst erhielten die Gäste an zwei Essensständen ein Weihnachts-Essen zum Mitnehmen. Das war anders als in den 75 Jahren zuvor, als die Gäste gemeinsam in einem der Säle im Haus der Diakonie Weihnachten gefeiert haben. Doch es gab auch an Weihnachten 2020 manches, das seit Jahren vertraut ist: Das traditionelle Heiligabend-Essen Saitenwürstle mit Kartoffelsalat wurde etwa 300 Mal ausgegeben. Das festliche Essen am ersten Weihnachtsfeiertag – dieses Mal gab es Hähnchenragout mit Pilzen, Spätzle und Gemüse sowie Weihnachtsgebäck – nahmen etwa 250 Gäste mit.
Geholfen haben etwa 50 Ehrenamtliche an Heiligabend sowie etwa 40 Helferinnen und Helfer am 25. Dezember. Sie haben an den beiden Tagen jeweils die Daten von mehr als 250 Menschen aufgenommen, die zeitversetzt Essen abgeholt haben – eine neue Notwendigkeit durch die Pandemie. Neben organisatorischen Aufgaben haben sich die „Stallengel“ Zeit genommen, mit den Besucherinnen und Besuchern zu reden. Ein liebes Wort, das die Essensausgabe begleitete, frohe Weihnachtswünsche und Handwärmer, die verteilt wurden, trugen zur friedlichen und besinnlichen Stimmung bei. Die Gäste hielten rücksichtsvoll Abstand zueinander und trugen einen Mund-Nasen-Schutz. Das Miteinander und die Begegnungen waren kurz, aber feierlich und herzlich. Trotz Abstand zueinander erlebten sich „Stallengel“ und Gäste als Gemeinschaft.
Passend zum Jubiläum traten bei eva´s Stall Profi-Musiker auf. Das Trompetenensemble Stuttgart bereicherte den Gottesdienst an beiden Tagen von den Treppenstufen des CVJM aus. Möglich wurden die Auftritte durch die Börse Stuttgart, die die Kosten dafür übernommen hat. Sie wollte damit Künstlerinnen und Künstler unterstützen, die durch Corona in Not geraten sind. Und hat den Gästen von eva´s Stall auch in Pandemie-Zeiten weihnachtliche Musik und andächtige Stimmung geschenkt.
Im Anschluss gingen die Besucherinnen und Besucher auf der anderen Seite des Geländes zum Ausgang. Dort konnten sie als Weihnachtsgeschenk einen Rucksack mitnehmen, gefüllt mit Orangensaft, Duschgel, Handtuch, Zahnbürste, Zahnpasta und Lebkuchen. Das Geschenk kam sehr gut an, berichtet Silvia Kundrat, Mitarbeiterin der Tagesstätte Wärmestube: „Insgesamt haben wir an den beiden Tagen 400 Stück verteilt.“ Sie ist überzeugt: „Es war eine gute Entscheidung, dass der Stall stattgefunden hat, um das Fest der Geburt Jesu Christi gemeinsam zu begehen. Der Stall 2020 wird uns noch lange in guter Erinnerung bleiben, trotz der bedrückenden Situation des Infektionsrisikos durch Corona.“ (uli)