Besondere Zeiten erfordern hin und wieder auch besondere Formate.
Aus diesem Grund haben wir unseren Sommerempfang in diesem Jahr nicht wie geplant im Stuttgarter Hospitalhof veranstaltet, sondern haben uns eine Alternative überlegt: In virtueller Form konnten die Zuschauerin nen und Zuschauer Andreas Hofer, Intendant der Internationalen Bauausstellung IBA 2027, und den eva-Vorstandsvorsitzenden Pfarrer Klaus Käpplinger live erleben.
Die Aufzeichung vom Sommerempfang vom 13. Juli finden Sie unter folgendem Link:
https://www.youtube.com/watch?v=Ztxvl0vQLLM
1. Sehen Sie eine Möglichkeit, die zunehmend verödeten Innenstädte neu zu nutzen – als lebendigen vielfältigen Wohnraum für die verschiedenen Wohnbedarfe?
In Innenstädten wurde tatsächlich das Wohnen in den letzten Jahrzehnten häufig verdrängt. Im Erdgeschoss finden sich Gewerbe und Einzelhandel, in den Obergeschossen Büros und Dienstleistungen, im Extremfall Einkaufszentren und nur noch einige wenige Wohnungen. Dies hatte ökonomische Gründe, Wohnen war weniger ertragreich als Einzelhandel und Dienstleistungen. In vielen Städten zogen junge Familien ins Einfamilienhaus im Umland. So sinkt ab einem gewissen Punkt die Wohnqualität in der Innenstadt, nicht zuletzt durch den zunehmenden Verkehr, weil die Innenstadt nur noch von außerhalb aufgesucht und genutzt wird. Diesen Trend wieder umzukehren und vermehrt in der Innenstadt zu wohnen, kann in verschiedenen Städten bereits beobachtet werden. Er kann die Qualität der Städte verbessern, Mobilität reduzieren und eine lokale Nachfrage produzieren, die für Gastronomie und bescheidenen Einzelhandel notwendig ist. Nutzungen wie Co-Working-Spaces, Kinderbetreuung und Gemeinschaftseinrichtungen können die Erdgeschosszonen beleben.
2. Corona zeigt, dass Arbeit und Wohnen nicht immer getrennt sein müssen. Können wir Wohnen und Arbeit architektonisch mehr zusammendenken?
Das ist weniger eine architektonische als eine organisatorische Frage und es ist stark von der Art der Arbeit abhängig. Tatsächlich kann dank moderner Telekommunikation ein größerer Teil der Dienstleistungen teilweise ortsunabhängig geleistet werden. Wenn nur ein Tag pro Woche in der Nähe der Wohnung gearbeitet wird, sinkt der Pendlerverkehr um 20 Prozent. Ich persönlich sehe großes Potential in dezentralen Coworking-Büros zum Beispiel im Bahnhofsumfeld. Weniger im Homeoffice, denn das führt entweder zu steigenden Flächenansprüchen oder zu problematischen, beengten Wohnverhältnissen. Weitere Mischungen von gewerblichen und handwerklichen Tätigkeiten im Wohnumfeld sind auch möglich. Gerade hier sieht die IBA’27 einen Spielraum für Experimente. Aktuell behindern sowohl Investorenvorstellungen wie auch gesetzliche Hürden diese eigentlich gewünschte Mischung.
3. Wie bewerten Sie gemeinnützige Initiativen, wie bspw. die Stadtlücken? Leider mussten sie ja unter der Paulinenbrücke weichen… braucht es mehr davon?
Die Stadtlücken sind nicht gemeinnützig, sondern temporär, experimentell. Experimente können ungewohnte Räume erschließen, Brachen zwischennutzen und die Diskussion über die Stadt anregen. Dass sie nicht dauerhaft sind, gehört dazu. Kritisch sehe ich es eigentlich nur, wenn Experimente nie die Chance haben, die Normalität zu verändern. Dann entsteht der Eindruck, dass kreativen Kräften zwar eine Spielwiese geboten wird, um ihre Energien zu binden. Dass aber keine ernsthafte Absicht besteht, Erkenntnisse dann auch in eine breite Praxis zu bringen.
4. Was kann die IBA denn eigentlich bewegen und durchsetzen?
Durchsetzen kann die IBA’27 wenig. Wir haben gute Kontakte zu Behörden, wir können vermitteln, vielleicht auch die eine oder andere finanzielle oder regulatorische Hürde gemeinsam mit den Projektpartnern überwinden. Die IBA’27 hat ein gutes Know-how über Planungs- und Partizipationsprozesse und bringt dieses in die Projekte ein. Auch der Erfahrungsaustausch zwischen den Projekten und mit Experten, Hochschulen und Forschungseinrichtungen, den die IBA’27 vermittelt, hat sich als wertvoll erwiesen. Es mag erstaunen, aber alleine die Aussicht, Teil der IBA’27-Gemeinschaft zu sein, war offensichtlich bei vielen Projekten Motivation genug. Wir sind zuversichtlich, im Jahre 2027 eine reiche Leistungsschau zukunftsgerichteter Projekte in der Region präsentieren zu können.
5. Zu wenig bezahlbarer und sozialer Wohnraum – schon lange ein Dauerthema in Stuttgart und Region. Was will die IBA’27 konkret dazu beitragen, dass sich daran etwas ändert?
Natürlich stellen viele die Frage, was die IBA’27 zur Lösung dieses dringenden Problems beitragen kann. Die IBA’27 ist keine Planungsbehörde und keine Wohnbaugesellschaft. Wie beim Weissenhof 1927, der mit seinen 61 Wohneinheiten auch keinen substantiellen Beitrag zur Entschärfung des Wohnungsmangels leisten konnte, geht es bei der IBA’27 eher darum, exemplarisch Strategien aufzuzeigen und vorbildliche Beispiele zu präsentieren. Wir beschäftigen uns auch mit neuen Bautechniken und -materialien, die einen Beitrag für effizienteres und kostengünstigeres Bauen leisten können. Wohnungspolitik und Wohnbaustrategien sind in vielen Städten und Metropolitanräumen ein großes Thema. Die IBA’27 hat beste Kontakte und gute Kenntnisse über die internationale Wohnbaudiskussion und vermittelt diese in die Region Stuttgart.
6. Wie kann die eva ihre Stimme erheben für die, die dringend Wohnraum brauchen, ihn aber schwer bekommen können (weil das Geld fehlt, weil kein Vermieter sie haben will etc.)?
Die eva leistet in diesem Bereich hervorragende Arbeit. Sie kann Vertrauen aufbauen, bei Konflikten vermitteln und auch finanzielle Sicherheiten bei der Vermietung an Menschen mit Schwierigkeiten auf dem Wohnungsmarkt bieten. Dies ist eine anstrengende und kontinuierliche Überzeugungsarbeit, die aufgrund des breit wahrgenommenen Wohnungsmangels hoffentlich in Zukunft noch mehr private, genossenschaftliche und kommunale Wohnungseigentümer zur Zusammenarbeit bewegt.
7. Herr Hofer schlägt vor, den Wohnraum, der in der Hand von internationalen Investoren ist, zurückzugewinnen. Auf welche Weise könnte das geschehen/gelingen?
Die Situation in Deutschland ist paradox. Nach der Abschaffung der Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen 1990 und in der Erwartung schrumpfender Städte verkauften Kommunen und Wohnungsgesellschaften bis vor wenigen Jahren erhebliche Wohnungsbestände an Investoren und private Gesellschaften. Diese teilweise zurückzugewinnen ist teuer und schwierig. Enteignungsinitiativen, wie sie zum Beispiel in Berlin diskutiert werden, erachte ich vor diesem Hintergrund als schwer vermittelbar. Vermutlich bleibt einzig, zähneknirschend zur Kenntnis zu nehmen, dass schwere wohnungspolitische Fehler gemacht wurden. Um die Bestände von Wohnungen, die nicht den unmittelbaren Marktkräften unterworfen sind zu erhöhen, bietet sich die ausschließliche Vergabe von kommunalen Grundstücken in Erbpacht an gemeinwohlorientierte Bauträger an. In Einzelfällen kann es auch sinnvoll sein, Wohnungsbestände und Grundstücke zu erwerben, obwohl der aktuelle Preis übertrieben scheint. Dauerhaft der Spekulation entzogen, relativiert sich der Preis mit der Zeit. Auch die Siedlungen, die in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts gebaut wurden, waren damals teuer und den untersten Einkommensschichten nicht zugänglich. Wohnungspolitik ist langfristige Knochenarbeit.
8. Welche Rolle spielt der öffentliche Raum beim Thema Wohnungs- und Städtebau? Welche sollte er spielen? Die einen wollen und brauchen ihn als Aufenthaltsort, die anderen stören sich daran, wenn junge Menschen oder Obdachlose sich dort aufhalten: Wie lässt sich da schlichten?
Stadt ist öffentlicher Raum und hohe Dichte von Menschen und ihren Aktivitäten. Dies setzt grundsätzlich eine gewisse Toleranz voraus. Stadtluft macht frei, verlangt aber Respekt gegenüber der Freiheit der anderen. Kluge Planung, Architektur und Freiraumgestaltung können durch die Anordnung der Nutzungen gewisse Konflikte verhindern. Ich bin auch überzeugt, dass hohe gestalterische Qualität und eine tolerante Stadtgesellschaft, die sich bewusst ist, dass das städtische Zusammenleben ein permanenter Aushandlungsprozess ist – bei dem gerade für Menschen in schwierigen Lebensumständen besonders Sorge getragen werden muss – Voraussetzung für eine funktionierende Gesellschaft sind. Hier werden häufig zu sehr Differenz und Eigeninteresse in den Vordergrund gestellt und zu wenig gesehen, dass zum Beispiel wir alle einmal Jugendliche mit Selbstentfaltungs- und Freiheitsbedürfnissen waren.
9. Welche Ideen will die IBA 27 beim Züblin-Parkhaus umsetzen? Wie hilft das Menschen, die sehr kleine Wohnungen haben?
Die IBA’27 will auf dem Gelände des Züblin-Parkhauses einen Beitrag für die angrenzenden Quartierteile entwickeln und diese wieder besser verknüpfen. Dies kann nur im Dialog mit den Menschen im Quartier gelingen. Das Grundstück ist genügend groß, dass sowohl gemeinschaftliche Funktionen in den unteren Geschossen wie auch ein breites Wohnungsangebot für unterschiedlichste Haushaltsformen und Wohnbedürfnisse geschaffen werden können. Die Stadt Stuttgart als Eigentümerin hat sich verpflichtet, den sozialen Aspekten im Quartier besondere Sorge zu tragen und die neu entstehenden Wohnungen entsprechend zu vermieten.
10. Welche Bauformen mit welchen Materialien rentieren sich auch für private Investoren?
Grundsätzlich sind Immobilien eine langfristig einträgliche Investition. Dies ist ja ein Grund für die stark steigenden Boden- und Verkaufspreise. Es muss umgekehrt eher darum gehen, die Ertragserwartungen der privaten Investoren zu dämpfen. Dies kann mit Verpflichtungen bezüglich der Vermietung (zum Beispiel der Forderung von sozialem Wohnungsbau) geschehen. Bezüglich der Bauformen und Materialien gibt es einen gewissen Widerspruch zwischen kurzfristigem Preis und langfristiger Wertigkeit. Vor allem bei Gebäuden, die unmittelbar nach der Erstellung verkauft werden, haben Investoren zu wenig Anreize die Kosten über die gesamte Lebensdauer zu kalkulieren. Klimawandel und Ressourcenknappheit verlangen da ein Umdenken. Neben Gesetzen und Normen kann dieses indirekt gefördert werden, wenn langfristige Investoren (Bestandshalter, Genossenschaften) bevorzugt werden.
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Sehen Sie hier die Aufzeichnung vom Sommerempfang 2020 mit Pfarrer Klaus Käpplinger und Andreas Hofer von der IBA
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