In der Corona-Krise bewährt sich die vernetzte Arbeit des Suchthilfeverbunds Stuttgart
Wer sich die Situation suchtkranker Menschen in der Corona-Krise ansieht, blickt wie durch ein Brennglas: Soziale Isolation, die Angst um die Existenz, die Verunsicherung angesichts dessen, was ist und was noch kommen könnte, zeigt sich hier besonders deutlich. Umso wichtiger ist, dass alle Stuttgarter Träger der Hilfen für Menschen mit Suchterkrankungen die suchtkranken Frauen und Männer weiter unterstützen. Sie stimmen ihre Arbeit im Suchthilfeverbund für Stuttgart miteinander ab. Das Netz trägt, „die Kolleginnen und Kollegen vor Ort sind sehr engagiert und bieten eine bedarfsorientierte Versorgung an“, sagt Dr. Klaus Obert, Bereichsleiter Sucht- und Sozialpsychiatrie im Caritasverband für Stuttgart.
„Das Suchthilfenetz in Stuttgart hat gut auf die Krise reagiert“, findet Dr. Maurice Cabanis, Leitender Oberarzt der Klinik für Suchtmedizin und Abhängiges Verhalten am Klinikum in Stuttgart. Die Telefon- und E-Mail-Beratung hat bei allen Trägern oft den direkten Kontakt mit den Klientinnen und Klienten ersetzt. Bei Bedarf gibt es weiter „face to face“-Kontakte, bei denen die Schutzbestimmungen eingehalten werden. Anstatt im Büro trifft man sich jetzt beim Spazierengehen. „Oder auf unserer Dachterrasse“, erzählt die Leiterin des Beratungs- und Behandlungszentrums für Suchterkrankungen der eva, Cornelia Holler.
Der Bedarf an Beratung nehme zu, berichtet Bernd Klenk von Release. „Wir gehen deshalb auch offensiv auf die Menschen zu und rufen von uns aus an.“ Alle im Suchtverbund berichten davon, „wie dankbar die Menschen sind, dass wir nach wie vor für sie da sind“, auch Stephanie Biesinger von der Suchtberatung Lagaya für Frauen und Mädchen in Stuttgart. Doch nach Wochen „spürt man auch die Schwere und Bedürftigkeit bei unseren Klientinnen sehr stark“. Viele, die stabil waren, „werden jetzt wieder kippelig“.
„Die Rückfälle nehmen zu“, berichtet auch Cornelia Holler von der eva. Sie sorgt sich wie ihre Kolleginnen und Kollegen besonders um Kinder, die in suchtbelasteten Familien leben und seit Wochen zu Hause sein müssen. Denn die Menschen leiden nicht nur unter den eingeschränkten Hilfsangeboten. „Alles, was ihnen darüber hinaus geholfen hat, ist ihnen genommen: vom Fitnessstudio bis zum Bummel in der Stadt.“ Deshalb hoffen alle Träger auf eine baldige Lockerung der Kontaktbeschränkungen.
In der Klinik für Suchtmedizin werden nach wie vor Menschen zur Entgiftung aufgenommen. Für die Kollegen war es „ein großes Anliegen, die Suchtklinik unter bestimmten Aufnahmevoraussetzungen offen zu halten“, sagt Dr. Cabanis. Ein Problem sei dagegen, die Patienten zu versorgen, wenn sie aus der Klinik entlassen werden: „Der ‚Abfluss‘ aus den Kliniken ist schwierig, weil viele Einrichtungen geschlossen sind.“