Neues Projekt der eva für gerontopsychiatrisch erkrankte Migranten
Jeder fünfte Einwohner Stuttgarts, der über 65 Jahre alt ist, ist Migrant – 2010 waren das 27.600 Frauen und Männer. Etwa 8,5 Prozent der über 65-Jährigen in Deutschland leiden an einer Demenzerkrankung, ungefähr ebenso viele an einer Depression. Trotzdem kommen zu den Beratungsangeboten für diese Zielgruppe wenig Migranten und es gibt noch kaum muttersprachlich organisierte Betreuungsangebote. Das will ein neues Projekt der Evangelischen Gesellschaft (eva) ändern. Bei „ProMi“ sollen bürgerschaftlich engagierte Migranten sowohl Betroffene als auch deren Angehörige unterstützen und begleiten.
Dimitrios P. ist 82 Jahre alt. Viele Jahre hat er mit seiner Frau in einer kleinen Wohnung gelebt. Dann ist sie an Alzheimer erkrankt. Vier Jahre lang hat Herr P. seine Frau alleine versorgt und gepflegt. Dimitrios P. ging es wie vielen anderen Menschen mit Migrationshintergrund: Er hatte geringe Kenntnisse über Leistungsansprüche, Beratungs- und Hilfsangebote. Er hat sich zwar an verschiedene Einrichtungen gewandt, um finanzielle und pflegerische Hilfe zu beantragen. Doch er wurde, wie er berichtet, meist mit dem Hinweis wieder weggeschickt, er solle beim nächsten Mal einen Dolmetscher mitbringen. Als seine Frau ins Krankenhaus kam, gab es keinen Weg mehr zurück: Frau P. wurde in einem Pflegeheim untergebracht. Ihr Mann empfindet das wie eine Scheidung; wenn er davon erzählt, muss er an sich halten, um nicht zu weinen.
Zweisprachige Freiwillige werden gesucht
Für Menschen wie das Ehepaar P. baut die Fachberatung Demenz und das Internationale Beratungszentrum der eva jetzt das Projekt „ProMi“ auf. Gesucht werden Freiwillige, die selbst zweisprachig sind sowie kulturelle Bezüge zu ihrem Herkunftsland besitzen oder zumindest die dort üblichen Sitten und Gebräuche kennen. Durch ihre Kenntnisse der jeweiligen Sprache und Kultur sollen sie Zugang zu Betroffenen finden. Die freiwillig Tätigen bekommen eine Aufwandsentschädigung von bis zu 9 Euro pro Stunde. Die Helfer erhalten zudem ein umfangreiches Schulungs- und Bildungsangebot von bis zu vierzig Stunden.
Salvatore Arnone, Freiwillig Tätiger in einem schon bestehenden Helferkreis der Fachberatung Demenz der eva, betreut schon heute zwei ältere gerontopsychiatrisch beeinträchtigte Männer. Einer davon ist wie Arnone italienischer Herkunft. Einmal pro Woche besucht Arnone Antonio Bertani (Name geändert) in dessen Wohnung. Wenn Salvatore Arnone kommt, sprechen die beiden oft deutsch und italienisch in fließendem Wechsel miteinander. Der ältere Mann kann die Sprachen nicht mehr gut auseinanderhalten. So ist es gut, dass Salvatore Arnone sowohl deutsch als auch italienisch spricht und versteht. „Mir macht es großen Spaß“, berichtet Arnone, „und danach gehe ich zufrieden nach Hause“. Denn der ältere Mann warte immer schon auf ihn und sie wären gerne zusammen – am 1. Mai hätten sie zum Beispiel miteinander gegrillt.
Der Besuchsdienst, den Salvatore Arnone jetzt schon macht, ist einer der drei Bereiche, den es beim neuen Projekt ProMi gibt. Für die Freiwilligen gibt es daneben zwei weitere Arten, ältere Migranten zu unterstützen: Durch eine stundenweise Betreuung sowie durch Tipps bei Anträgen. Die Betreuung für gerontopsychiatrisch erkrankte Menschen soll Familienangehörige entlasten, die in dieser Zeit andere Aufgaben erledigen können. Gegebenenfalls werden auch Spaziergänge, Ausflüge oder Fahrten mit den erkrankten Menschen unternommen. Auch der dritte Bereich wäre für Dimitrios P. wichtig gewesen, um seine Frau bei sich behalten zu können: Hier werden Angehörige dabei unterstützt, Anträge bei Behörden zu stellen. Sie erhalten daneben Informationen zu Leistungsansprüchen und Hilfen in Stuttgart.
Zwei Stiftungen fördern das neue Projekt
Das neue eva-Projekt wird drei Jahre lang von zwei Stiftungen gefördert: Die Baden-Württemberg Stiftung gibt 100.000 Euro aus dem Programm „Vielfalt gefällt! 60 Orte der Integration“, das in Kooperation mit dem Ministerium für Integration durchgeführt wird. Die Robert Bosch Stiftung fördert das Projekt mit weiteren 58.700 Euro.
Wer sich für eine freiwillige Tätigkeit im Rahmen des Projekts interessiert, sollte sich bis spätestens 29. Mai unter der Telefonnummer 07 11.20 54-4 62 anmelden. Hier können auch Faltblätter zu dem Projekt in fünf verschiedenen Sprachen bestellt werden. Die Schulung soll Mitte Juni durch einen ersten gemeinsamen Informationsabend beginnen.