„Die schöne Müllerin“ in der Leonhardskirche – Kunstprojekt zeigt beeindruckend und sensibel Beziehungen wohnungsloser Menschen sowie ihre harte und oft perspektivlose Lebensrealität
Stuttgart. Eine Frau, die nach 27 Ehejahren von ihrem Mann verlassen wird. Ein Mann, dessen Partner ganz plötzlich und unverhofft stirbt. Zwei von vielen Erfahrungen und Schicksalen, die in „Die schöne Müllerin“ am 12. Mai von bekannten Künstlern nacherzählt wurden. Das Kunstprojekt zeigte in der Leonhardskirche schonungslos und bezaubernd zugleich, wie sich von jetzt auf nachher das Leben verändert. Zu sehen war, wie Liebe scheitert. Wie der/die Einzelne zum Spielball von Abläufen und Ereignissen wird, denen er oder sie sich in ihrem Trennungstrauma nicht entgegenstemmen können. Sie landen auf der Straße, arrangieren sich, passen sich an. Sie finden sich ab. Verlorene Liebe, Trennung, Tod des Partners, Arbeitslosigkeit oder Depression markieren den Weg ins gesellschaftliche Abseits.
Verbunden wurden die Darstellungen dieser Schicksale mit Franz Schuberts romantischem Liederzyklus „Die schöne Müllerin“ für Singstimme und Klavier. Auch die Liebesgeschichte des jungen Müllergesellen, dessen Liebe von der Tochter seines Meisters nicht erwidert wird, endet tragisch.
Knapp 150 Besucherinnen und Besucher waren in der Leonhardskirche fasziniert von dem von Stefan Weiller entworfenen Kunstprojekt. Es zeigte eine wunderbare Symbiose des Liederzyklus von Schubert mit verschiedenen Kunstformen, mit Video, Musik und Sprache. Mehrere Sänger, Sprecher, ein Chor und Instrumente interpretierten den Zyklus in verschiedenen Stilen. Schnell hörten die Zuschauer gebannt den Geschichten zu, wurden vom romantischen Gesang in eine andere Welt entführt, mit jazzigen Elementen wieder in die Realität genommen und waren erschüttert über die harte Lebenswelt der Betroffenen.
Das Stück wurde dem Ziel gerecht, einer breiten Öffentlichkeit Einblicke in die Lebenswelt wohnungsloser Menschen zu geben. Der langanhaltende Applaus zeigte: eindrücklicher ist es kaum möglich, sich der Not wohnungsloser Menschen ohne die üblichen Klischees und Vorurteile zu nähern.