Stuttgart-Mitte. Die sogenannte Stuttgarter „Krawallnacht“ vom 20. auf den 21. Juni 2020 jährt sich in diesen Tagen. Jüngst kam es erneut zu Zusammenstößen von jungen Menschen mit Polizeibeamtinnen und -beamten rund um die Freitreppe am Schlossplatz. Aus Anlass dieser Ereignisse im vergangenen Jahr wird am 19. Juni von 13 bis 18 Uhr ein Aktionstag für junge Menschen unter der Überschrift „Sagt doch, was Ihr wollt!“ stattfinden. Mit dabei sein wird auch Bürgermeisterin Isabel Fezer. Initiiert und organisiert wurde der Tag vom Aktionsrat, der als Teil des neuen Organisationsmodells die praktische Umsetzung von Angeboten und Aktionen in der Innenstadt gestaltet. Der Zusammenschluss von Fachverwaltung und verschiedenen Trägern der Jugendarbeit ist in Folge des OB-Auftrags „Sichere Innenstadt 2020“ entstanden. Das Ziel aller Beteiligten im Netzwerk ist es, eine jugendgerechte Innenstadt mitzugestalten.
Zuhören, Ideen sammeln
Am Aktionstag soll vor allem zugehört werden: Die Ideen, Wünsche und Themen, die die Jugendlichen mitbringen, sind die Grundlage für weitere konkrete Aktionen und Maßnahmen des Projektes „Jugendgerechte Innenstadt“. Eine wichtige Botschaft kommt damit zum Ausdruck: „Jugendliche in Stuttgart sind vielfältig! Ihre Interessen und Bedarfe werden bei der zukünftigen Gestaltung der Innenstadt anerkannt und berücksichtigt“, sagt Jutta Jung vom Caritasverband für Stuttgart.
Stuttgart gibt Organisationsmodell „Integrierte Jugendarbeit Innenstadt“ und Jugendstudie in Auftrag
Die Stadt Stuttgart hat im vergangenen Jahr gemeinsam mit öffentlichen und freien Trägern der Jugendhilfe das bundesweit einzigartige Projekt „Integrierte Jugendarbeit Innenstadt“ auf den Weg gebracht. Rund 2,4 Millionen Euro fließen in den vier Projektjahren in die präventive Jugendarbeit in der Innenstadt: von der Stadt Stuttgart, dem Land Baden-Württemberg und von Stiftungen. Im Herbst 2020 konnten fünf neue Stellen für die Mobile Jugendarbeit Innenstadt besetzt werden.
Mit diesem Projekt hat die Landeshauptstadt nach den Ausschreitungen 2020 schnell reagiert, sich zu einer gewaltfreien, solidarischen Stadtgesellschaft bekannt und damit auch den Jugendlichen signalisiert: Wir nehmen euch ernst und hören euch zu. „Oft bekommen wir auf der Straße Sätze gesagt wie: „Ihr seid die Ersten, die mich seit einem Jahr fragen, wie es mir geht“, berichtet etwa die Streetworkerin Lea Woog aus ihrem Alltag.
„Jugendliche brauchen kommerzfreie Aufenthaltsorte in der Innenstadt mit Angeboten, die eine soziale Durchmischung fördern. Wir machen uns dafür stark, dass die Interessen und Bedürfnisse der Jugendlichen mit in die politische Umsetzung genommen werden“, beschreibt Clemens Kullmann von der Stuttgarter Jugendhaus Gesellschaft das Credo der Akteure.
Neue Partnerschaften
Die hier im Verbund arbeitenden freien und öffentlichen Träger der Jugendhilfe haben gemeinsam eine jugendgerechte Innenstadtentwicklung zum Ziel. „Nicht ein Ansatz ist per se der Richtige, sondern die Vernetzung vieler“, formuliert Carola Flad vom Jugendamt der Stadt Stuttgart den Leitgedanken dieser Zusammenarbeit. Über die Jugendarbeit hinaus sind in den vergangenen Monaten neue Partnerschaften entstanden: mit der City Initiative Stuttgart (CIS), dem Staatstheater, zum neuen Nachtbürgermeister oder zur Polizei im Innenstadtrevier.
„Die Verbindungen, die wir wollten, können wir schon sehen: Gemeinsam mit vielfältigen Partnern ist es uns gelungen, in sehr kurzer Zeit mehrere Angebote anzuregen und zu starten: „Druck aus dem Kessel“ bietet Sportmöglichkeiten am Eckensee und auf dem kleinen Schlossplatz, die Kommunikationsteams der Polizei, mit denen wir im Austausch stehen, greifen deeskalierend ein und gemeinsam mit dem Club-Kollektiv und dem neuen Nachtmanager Nils Runge planen wir Angebote auf dem kleinen Schlossplatz. Diese vielen kleinen Lösungen zeigen Wirkung!“, sagt Simon Fregin, Mitarbeiter der Mobilen Jugendarbeit. Außerdem freuen sich die Netzwerkpartner auch über die Unterstützung von Unternehmen: Ein Bus, gespendet von der Daimler AG, ist als mobile Anlaufstelle hinzugekommen und steht nun regelmäßig vor der Oper am Eckensee.
Lebenswerte Stadt für alle
Zuhören, miteinander ins Gespräch kommen und gemeinsam eine lebenswerte Stadt für alle entwickeln: Dem dient auch die Jugendstudie, die von der Stadt Stuttgart ausgeschrieben wurde: „Sie soll dazu beitragen, Jugendarbeit weiterzuentwickeln und positives Aufwachsen junger Menschen in Stuttgart zu verstärken“, sagt Oliver Herweg, Leiter der Jugendhilfeplanung.
Die jüngsten Vorkommnisse haben an dieser Vorgehensweise und Haltung nichts geändert: „Unsere gemeinsame Vision bleibt eine jugendgerechte Innenstadtentwicklung“, sagt Klausjürgen Mauch von der Evangelischen Gesellschaft (eva). (SR)