Beim Treff Sozialarbeit wurde über die Auswirkungen von Migration auf die soziale Arbeit diskutiert. Vertreter der Stadt Stuttgart sowie von eva und Caritas haben neue Ansätze vorgestellt.
Der zunehmende Druck auf den Wohnungsmarkt und ein deutlicher Rechtsruck in der Politik machen den Verantwortlichen in der Flüchtlingshilfe in Stuttgart große Sorgen. Angesichts steigender Anforderungen in der Flüchtlingsbetreuung seien innovative Konzepte und eine stärkere Zusammenarbeit der Organisationen gefragt, hieß es beim jüngsten Treff Sozialarbeit der Evangelischen Gesellschaft Stuttgart (eva). Unter dem Titel „Stuttgart vor neuen Aufgaben“ lag der Fokus auf „Migrationstrends und den Auswirkungen auf die soziale Arbeit“.
Laut Sascha de Lima Beul hat die zunehmende Vielfalt der Herkunftsländer einen steigenden Bedarf an spezialisierten Hilfsangeboten zur Folge. Als Beispiele nannte der Bereichsleiter des Internationalen Beratungszentrums der eva alleinreisende Minderjährige, Opfer von Menschenhandel oder Personen mit psychischen Belastungen.
Für notwendig hält de Lima Beul den Ausbau von psychosozialen Diensten und die verstärkte Schulung des Personals in Trauma- und Krisenintervention. Angesichts des Wohnungsmangels müsse dringend über neue Wohnformen nachgedacht werden, genauso wie über temporäre modulare Bauten. Neben kreativen Wohnmodellen forderte er mehr digitale Angebote für Flüchtlinge und die Einbindung von Migranten in Hilfsprojekte. Vor allem fehlt Sascha de Lima Beul eine langfristige Perspektive in der Flüchtlingsarbeit.
Geflüchtete ermutigen ihre Talente zu nutzen
Die Stadt Stuttgart hat sich das „Empowerment von und für Geflüchtete“ auf die Fahnen geschrieben. Es gehe darum, Geflüchtete mit ihren Talenten und Fähigkeiten zu ermutigen, sinnvolle Aktivitäten anzubieten, erläuterte Fatima Gül von der Abteilung Integrationspolitik. Im Empowermentförderprogramm planen Geflüchtete Projekte eigenverantwortlich, wie gemeinsame Kochgruppen. Sie werden mit bis zu 7000 Euro über zwölf Monate gefördert. Seit 2018 wurden rund 140 Projekte unterstützt.
Für Cathrin Maier, Bereichsleiterin Jugendsozialarbeit der eva, ist es wichtig, Perspektiven zu schaffen für die Teilhabe in der Gesellschaft. Mit dem auf fünf Jahre angelegten Modellprojekt einer Lernwerkstatt für neuzugewanderte und geflüchtete Jugendliche in der Gemeinschaftsschule Weilimdorf soll ein Willkommensraum entstehen.
Über fünf Jahre werden mit Unterstützung der mobilen Jugendarbeit 80 Schülerinnen und Schüler von einem multiprofessionellen Team begleitet. Für das Projekt werden Kooperationspartner zur Begleitung der jungen Migranten gesucht. Diese seien häufig Rassismuserfahrungen ausgesetzt und würden abends oft mehrfach von der Polizei kontrolliert, so Maier.
Junge Migranten nutzen die Angebote der mobilen Jugendarbeit
Als „Herzensangelegenheit“ beschreibt Sabrine Gasmi-Thangaraja die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, für die es nach der Stuttgarter Krawallnacht vermehrt Mittel gibt. „Es muss erst etwas passieren“, sagte die Bereichsleiterin Integration und Migration beim Caritasverband Stuttgart. Es sei „genial“, wie das Angebot der mobilen Jugendarbeit am Europaplatz, am Eckensee und in der Theaterpassage in Stuttgart von jungen Migrantinnen und Migranten angenommen wird.
Dass es gelungen sei, vor Ort in der Gemeinschaftsunterkunft Heumaden eine intensive sozialpädagogische Begleitung zu entwickeln, ist für eva-Mitarbeiter Joachim Schittenhelm, Bereichsleiter des Gemeindepsychiatrischen Zentrums Sillenbuch, ein großer Erfolg. Zwischen 15 und 20 Prozent der Geflüchteten in der Unterkunft leiden nach seinen Angaben an einer psychischen Störung. Deshalb ist für Birgit Hug, eine der zwei Kolleginnen vor Ort, das Projekt „der Traum“. Für Geflüchtete mit psychischer Störung sei es nicht leicht, an Angeboten teilzunehmen. „Wir arbeiten aufsuchend, das ist unser großes Plus. So muss soziale Arbeit sein“, sagte sie.