Die Abteilungskonferenz der Dienste für Seelische Gesundheit hat sich mit Rechtsextremismus und seinem Einfluss auf Soziale Arbeit beschäftigt
Knapp über 400 Kolleginnen und Kollegen arbeiten bei den „Diensten für Seelische Gesundheit“ der eva. In der freien Wirtschaft wäre das ein ziemlich großes mittelständisches Unternehmen. Die 412 Mitarbeitenden arbeiten jedoch größtenteils in Teilzeit auf insgesamt 186 Vollzeitstellen – und haben im vergangenen Jahr im Krisen-und Notfalldienst, in den drei Gemeindepsychiatrischen Zentren im Stadtgebiet, bei der Suchtberatung, der Individuellen Schwerbehindertenassistenz, bei der Aidsberatung, des Psychosozialen Zentrums für Überlebende traumatischer Gewalt und im Sozialpsychiatrischen Wohnverbund insgesamt 8557 Menschen erreicht. Bei der jüngsten Abteilungskonferenz von B2, wie die Dienste für seelische Gesundheit bei der eva abgekürzt werden, ging es jedoch nicht nur um Zahlen - auch wenn diese eindrucksvoll sind.
Die Abteilungsleiterinnen Iris-Maier Strecker, Kirsten Wolf und das Vorbereitungsteam haben bei der Planung ein Thema in den Blick genommen, das die Sozialarbeiterinnen, Pflegekräfte, Heilerziehungspfleger und Ergotherapeuten in der Abteilung umtreibt. „Das politische Klima hat sich geändert, wir nehmen den Rechtsruck auch in unserer Arbeit wahr“, so Iris Maier-Strecker vor den rund 125 Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Abteilungskonferenz. „Demokratie in Gefahr“ war dementsprechend der Vortrag betitelt, den Katja Sternberger vom neu gegründeten Institut für Rechtsextremismusforschung (IRex) an der Uni Tübingen bei der Konferenz gehalten hat.
Rechte Akteure stellen Soziale Arbeit in Frage - und machen eigene Angebote
Soziale Arbeit als menschenrechtsorientierte Profession stehe im Widerspruch zu rechtsextremen Positionen und werde gerade deshalb von rechten Akteuren bedroht und in Frage gestellt, so Katja Sternberger. Das ist kein neues Phänomen: Die Nationalsozialisten haben Menschen mit Behinderung und psychischen Krankheiten das Recht auf Leben abgesprochen. In Württemberg geschah das in der Tötungsanstalt Grafeneck auf der schwäbischen Alb, 10654 Menschen wurden dort mit Gas erstickt. Die Einrichtungen, wie etwa die Diakonie Stetten, haben die ihnen anvertrauten Menschen nicht geschützt, sondern dem Mordapparat ausgeliefert.
Wie die extreme Rechte heute in Mecklenburg-Vorpommern agiert und dort Angebote etabliert, um Kinder und Jugendliche zugewinnen, hat Katja Sternberger mit mehreren Beispielen belegt: Vom Fußballturnier über das Kinderfest zum Ferienlager und der Rechtsberatung für Gefängnisinsassen, die wegen rechter Gewalt inhaftiert sind. Fachkräfte mit rechtsextremer Gesinnung agierten in Kitas und anderen Einrichtungen, sie würden Kinder mit Migrationsgeschichte von Angeboten ausschließen und gegen Inklusion eintreten, die sie als Ideologieprojekt diskreditieren, so Sternberger weiter.
Um sich gegen rechtsextreme Bedrohungen und Störungen zu wappnen, empfiehlt Sternberger, das eigene professionelle Selbstverständnis in Erinnerung zu rufen – und dabei auch das Leitbild der Einrichtung einzubeziehen. Wichtig sei es, dass der Arbeitgeber/die Einrichtung demokratische Haltungen stärkt, Schutzkonzepte entwickelt und etwa eine Ansprechstelle einrichtet, an die sich Mitarbeitende wenden können, die rechtsextremistischer Bedrohung oder gar Angriffen ausgesetzt sind. Dass sich der eigene Träger mit anderen sozialen Trägern gut vernetzt, sei ebenso eine wichtige Maßnahme. Gerade wenn Abgeordnete von AfD über Anträge im Gemeinderat oder Landtag versuchen, die Legitimation der eigenen Arbeit zu hinterfragen und über Haushaltsmittel Einfluss nehmen.
“Wie lange hält man so ein Geschwätz aus”
Dass rechtspopulistische Meinungen auch von Klientinnen und Klienten geäußert werden, war eins der Themen, die bei der anschließenden Diskussion in Kleingruppen zutage kam. Was tun wenn man mit Argumenten nicht weiter kommt, wann ist es überhaupt sinnvoll zu diskutieren und „wie lange hält man so ein Geschwätz aus“? Bei der abschließenden Diskussion im Plenum hat Katja Sternberger empfohlen, sich nicht auf jede inhaltliche Diskussion einzulassen, die oft nur zu unlösbarem Streit führe. Sich stattdessen aber klar zu positionieren: „Ich bin nicht ihrer Meinung, jetzt möchte ich mit Ihnen aber ein anderes Thema besprechen.“ Sternberger hält es auch für zentral, klar zu formulieren, wo eine Äußerung zu weit geht überschreitet. Wichtig sei es, die Grenzen des Sagbaren nicht immer weiter auszudehnen und rechtsextremen Haltungen keinen Raum zu lassen. „Es braucht Haltung und Standpunkte. Denn die Duldung von rechtspopulistischen Positionen hat große Auswirkungen auf unsere Klientinnen und Klienten“, sagte Kirsten Wolf zum Abschluss des Vormittags.