Die Hilfen zur Erziehung Stuttgart-Mitte feiern ihr zehnjähriges Bestehen
Sven Bruckner (Name geändert) hatte selbst eine schwierige Kindheit: die Alkoholsucht der Mutter, Gewalt und Hunger prägten den Alltag. Er fängt selbst an zu trinken und landet auf der Straße. Als er mit Anfang 20 Vater wird, ist er mit seiner neuen Rolle überfordert. Niemand hat ihm vorgelebt, was es heißt, ein guter Vater zu sein. Unterstützung bekommen Eltern wie Sven Bruckner sowie Kinder und Jugendliche seit zehn Jahren von den Hilfen zur Erziehung (HzE) Stuttgart-Mitte. „Der Standort hier, mitten im Geschehen, bietet vielfältige Möglichkeiten, aber auch Herausforderungen“, sagte Harald Kuhrt, zuständiger Bereichsleiter bei der Evangelischen Gesellschaft (eva), am 17. Oktober bei der Jubiläumsfeier „10 Jahre im Revier“.
Zwischen Rotlichtviertel und Konsumtempeln
Seit das HzE-Team im Jahr 2004 die Arbeit am Standort Esslinger Straße 26 aufnahm, haben die pädagogischen Fachleute hunderte von Kindern, Jugendlichen und Eltern aus dem Quartier begleitet und unterstützt. Die Familien, die hier zwischen Rotlichtviertel und den Konsumtempeln der Innenstadt leben, sind mit besonderen Bedingungen konfrontiert: Spiel- und Grünflächen sind rar, die Verkehrs- und Lärmbelastung ist hoch, die Unterschiede zwischen Arm und Reich sind extrem. Das Spektrum an Problemen, die das Team in enger Zusammenarbeit mit dem Beratungszentrum Mitte des Jugendamtes bearbeitet, ist breit: Viele Eltern sind im Alltag oder durch ihre eigene Biographie so belastet, dass sie trotz bester Absicht mit der Erziehung überfordert sind. Viele leben in Armut. Immer häufiger hat das Team Mitte zudem mit Familien zu tun, bei denen ein Elternteil suchtkrank ist oder an einer psychischen Störung leidet.
So vielfältig die Problemlagen, so unterschiedlich sind auch die Hilfsangebote der HzE, die individuell auf die jeweilige Familie zugeschnitten werden. Dazu gehören ambulante Hilfen wie Beratung, soziale Gruppenarbeit, alltagspraktische Unterstützung, Elterntreffs, Projekte etc. Daneben gibt es stationäre Wohnangebote, falls die Kinder und Jugendlichen zeitweise oder auf Dauer nicht bei ihren Eltern leben können. In den vergangenen zehn Jahren sind die Angebote stetig weiterentwickelt und zunehmend präventiv ausgerichtet worden. Ein Beispiel ist das Projekt Aufwind, das seit 2012 Kinder psychisch kranker Eltern frühzeitig unterstützt, damit sie sich gesund entwickeln können.
Rechtsanspruch auf Erziehungshilfe
Grundsätzlich haben Familien einen Rechtsanspruch auf eine Erziehungshilfe, die vom Jugendamt gewährt und finanziert wird. Neben Stuttgart-Mitte ist die eva auch für die HzE in Stuttgart-Nord, im Hallschlag, Münster, Mühlhausen, Stammheim und Zuffenhausen zuständig. Ziel ist immer, die Erziehungskompetenz der Eltern zu stärken, verschüttete Ressourcen bei Eltern und Kindern offenzulegen und positive Veränderungen in Gang zu bringen. Dabei nutzen die pädagogischen Fachleute der HzE alle Chancen und Möglichkeiten, die sie vor Ort im unmittelbaren Umfeld der Familien finden.
Bei Sven Bruckner ist das gelungen. Anfangs hat sich der junge Mann kaum etwas zugetraut. Er hatte eine schwere Zeit auf der Straße hinter sich, der jahrelange Alkoholmissbrauch hatte ihm auch psychisch zugesetzt. Zu Beginn der Erziehungshilfe ging es darum, seine Ängste zu bearbeiten und Anträge beim JobCenter zu stellen, um den Lebensunterhalt für seine Familie zu sichern. Zwei Jahre lang begleitete ihn eine Mitarbeiterin der HzE dabei, den Alltag zu bewältigen und seine Rolle als Vater zu finden. Schritt für Schritt lernte Sven Bruckner, wie er seinen Sohn Luka gut versorgt, ihn richtig ernährt und mit ihm spielt. Heute geht es der jungen Familie gut, auch wenn Sven Bruckner nach einem Unfall arbeitsunfähig ist. Er hat seine Freundin geheiratet, die als Krankenschwester arbeitet. Er selbst kümmert sich um den Haushalt und um Luka, der mittlerweile in die zweite Klasse geht.