Projekt „Kick it like Marta“: Mädchen reisen um die halbe Welt
Eine Reise um die halbe Welt nach Brasilien, um dort Fußball mit Gleichaltrigen zu spielen und die Fußball-Legende Giovane Elber zu treffen: Das klingt für Schülerinnen zwischen 12 und 15 Jahren nach einem Traum, der sich nicht realisieren lässt. Umso mehr, wenn sie selbst einen Teil dieser Reise finanzieren sollen und keine wohlhabenden Eltern haben. Doch sie haben es geschafft: In den Osterferien sind zehn Mädchen um die halbe Welt gereist, ein Jahr lang hatten sie sich darauf vorbereitet. Sie haben mit kreativen Aktionen und Veranstaltungen nicht nur Geld für ihre eigene Reise verdient, sondern auch Spenden für das Schulzentrum für Straßenkinder im brasilianischen Londrina eingeworben. Ermöglicht wurde das durch das Bildungsprojekt „Kick it like Marta“. Es wird von der Evangelischen Gesellschaft in Kooperation mit dem Bildungszentrum Weissacher Tal durchgeführt; Schirmherr des Projekts ist Giovane Elber.
Eines der Mädchen, die am Projekt teilnehmen, ist die zwölfjährige Lucy Reber. Die Schülerin der 6. Klasse der Werkrealschule erinnert sich noch gut, wie sie im Frühjahr 2012 mit anderen Mädchen zusammen saß, die sie nicht kannte. Nur eines hat sie verbunden: das große Hobby Fußball. „Als wir wussten, dass wir die Chance haben, nach Brasilien zu fliegen, andere Kulturen und Giovane Elber kennenzulernen, waren wir außer uns“, erzählt Lucy. Der ehemalige Profi-Fußballer war allen ein Begriff. Und die Fußballnation Brasilien, in der 2014 die Fußball-Weltmeisterschaft stattfindet, so unbekannt wie reizvoll.
Über den Fußball nicht nur Spaß, sondern auch Kompetenzen vermitteln
Daniela Pereira, die das Projekt „Kick it like Marta“ entwickelt hat, wollte Mädchen über den Fußball nicht nur Spaß, sondern auch Kompetenzen vermitteln. Die Schulsozialarbeiterin am Bildungszentrum (Bize) Weissacher Tal leitet die Mädchenfußball-AG am Bize. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Martina Ehrlich, die lange Jahre Reisen nach Brasilien organisiert hat, hat sie das Projekt entwickelt, das nach der Brasilianerin Marta Vieira da Silva benannt ist – einer weiblichen Fußball-Legende, Vorbild für fußballbegeisterte Mädchen.
Während eines kompletten Jahres haben zehn Mädchen regelmäßig einige ihrer Freizeitstunden nicht nur fürs Kicken eingesetzt, sondern auch für viele Reisevor- und Reisenachbereitungen. Sie haben erfahren, dass es sich lohnt, sich für etwas anzustrengen, denn ein Drittel der Reisekosten mussten sie selbst erarbeiten. Dazu mussten die Schülerinnen eigene Ideen entwickeln und sprichwörtlich „am Ball“ bleiben, sie durften ihr Ziel nicht aus den Augen verlieren. Sie haben diesen Eigenanteil durch Veranstaltungen und Aktionen, die sie organisiert haben, komplett zusammenbekommen. Sie haben im Bize Kuchen verkauft, gemeinsam auf dem Schulgelände Äpfel gesammelt, haben Ställe ausgemistet, Gartenarbeit gemacht und bei Weihnachtsmärkten selbst Gebasteltes verkauft. Sie haben gelernt, sich selbst zu organisieren, füreinander Verantwortung zu übernehmen und gemeinsam im Team etwas zu erarbeiten.
Mit den Lebensumständen in Brasilien auseinandergesetzt
Ermöglicht wurde das Bildungsprojekt auch durch zahlreiche Unterstützer: Die Evangelische Gesellschaft (eva) hat die Personalkosten sowie die Reisekosten der beiden Projekt-Mitarbeiterinnen übernommen. Verschiedene Stiftungen und Unternehmen haben Geld für die Reise gespendet: der Bücher-Flohmarkt Auenwald, eva´s Stiftung, die Giovane-Elber-Stiftung und die Rems-Murr-Stiftung, die Unternehmen fair-sport, Kärcher, Leica, Mercedes-Benz und solcom sowie der Sportkreis Rems-Murr.
Neben dem Geld für die eigene Reise haben die Mädchen Spenden für das Schulzentrum für Straßenkinder der Giovane-Elber-Stiftung in Londrina eingeworben. Dabei haben sie sich auch mit den Lebensumständen von armen brasilianischen Schülerinnen und Schülern auseinandergesetzt. In Brasilien konnten die zehn Mädchen während ihrer Reise in diesem Frühjahr dann eine beeindruckende Geldspende für das brasilianische Schulzentrum übergeben: 1777 Euro, die aus dem Erlös einer Schul-Aktion des BIZE stammen. Bei ihrem Besuch des Schulzentrums in Londrina haben die deutschen Mädchen die Lebensumstände der Schülerinnen und Schüler dort kennengelernt. Sie sind Kindern begegnet, die unter ganz anderen Bedingungen leben als sie selbst. Sie haben miteinander gekickt, hatten gemeinsam Spaß und haben dabei „spielend“ fürs Leben gelernt.
„Ich wollte sehen, wie und unter welchen Bedingungen die Menschen auf der anderen Seite der Welt leben. Und ich wollte lernen, Verantwortung zu übernehmen“, erzählt Dagmar Coelle. Die 13-jährige Gymnasiastin hat ebenfalls am Projekt teilgenommen. Lucy hat bei der Reise am meisten überrascht, „dass es Kinder gibt, die viel weniger Geld haben als ich. Ich denk immer, ich hab wenig, dabei haben die Kinder aus den Favelas noch weniger. Und obwohl sie selber nichts haben, teilen sie total gern.“ Doch schon beim Vorbereiten der Reise hat sie viel gelernt: „Erstens, mit Geld umzugehen. Zweitens, auf jeden Fall pünktlich zu sein. Und drittens, Probleme zu lösen, die manchmal echt schwer zu lösen sind.“ Dagmar ergänzt: „Ich habe gelernt – es lohnt sich, seine Träume zu verfolgen.“