Hilfen für obdach- und wohnungslose Menschen im Landkreis Esslingen funktionieren trotz Einschränkungen und Abstands-Regeln – Erfrierungsschutz bleibt bis 5. April geöffnet
Esslingen. Wie es den Obdachlosen im Kreis in diesen Zeiten geht? Das sei schwierig zu beantworten, sagt Anja Wessels-Czerwinski. Sie ist als Bereichsleiterin für die Fachberatungsstelle und die Aufnahmehäuser Esslingen der Evangelischen Gesellschaft (eva) zuständig. Zusammen mit der Stadt Esslingen betreuen sie und ihre Kolleginnen und Kollegen zur Zeit sechs Personen, die keinerlei Unterkunft haben. Sie wollen auch in keines der vorhandenen Angebote mit gemeinsamen Küchen und Bädern einziehen oder sie haben keinen Anspruch auf Sozialleistungen. Jeder Einzelne davon sei einer zu viel – doch gemessen an anderen Städten sei die Zahl in Esslingen gering. Bis vor kurzem habe es daneben eine Gruppe Rumänen gegeben, die auf verschiedenen brach liegenden Gartengrundstücken campierten. Im Moment wisse aber niemand, wo diese Familien sich aufhalten. Frauen und Männern, die auf der Straße leben, steht über den Winter der Erfrierungsschutz der Stadt offen, den die sozialen Fachkräfte der eva betreuen. Dieses Haus würde normalerweise zum 31. März schließen; wegen der anhaltenden Nachtfröste bleibt es aber bis 5. April geöffnet.
Auch die Fachberatungsstelle Esslingen hält ihren Dienst aufrecht. Zwar kann sie ihre offene Sprechstunde nicht anbieten, doch die Mitarbeitenden sind telefonisch erreichbar. In dringenden Angelegenheiten beraten sie Hilfesuchende nach vorheriger Terminabsprache persönlich. „Auch diejenigen, die über uns gemeldet sind, weil sie keine eigene Wohn-Adresse haben, erhalten ihre Post noch“, berichtet die Sozialarbeiterin. Da kommt der Fachberatungsstelle zugute, dass die Räume im Erdgeschoss liegen: „Wir geben die Post durchs Fenster nach draußen. Dadurch können wir den Mindestabstand einhalten.“
Wer keinen eigenen Mietvertrag hat, sondern zum Beispiel bei jemand anderem untergeschlüpft ist, wird als wohnungslos bezeichnet. Wem das im Landkreis Esslingen passiert, der kann in den Aufnahmehäusern der eva mit 46 Plätzen sowie in deren Ambulant betreutem Wohnen unterkommen. Die Stadt Esslingen stellt städtische Obdachlosen-Unterkünfte für Menschen aus Esslingen zur Verfügung. „Wir versuchen, täglich unsere Bewohnerinnen und Bewohner in den Aufnahmehäusern zu kontaktieren und fragen sie, wie es ihnen geht und wie ihr Gesundheitszustand ist“, berichtet Anja Wessels-Czerwinski. „Bis jetzt gibt es zum Glück noch keine Anzeichen für einen Verdacht auf eine Infektion mit dem Corona-Virus.“
Die Bereichsleiterin ist nicht nur darüber froh. Sie beobachtet auch, dass die Bewohner des Aufnahmehauses in der Schlachthausstraße und im Berberdorf äußerst diszipliniert sind. „Sie informieren sich selbst und einander gut, nehmen Rücksicht aufeinander. Das ist alles andere als selbstverständlich. Ich bin überrascht, wie gut das läuft. Da bin ich auch meinen Kolleginnen und Kollegen sehr dankbar. Sie sind sehr engagiert – und das unter diesen Umständen, die alles andere als einfach sind.“
Und falls es in den Unterkünften doch eine Corona-Infektion geben sollte? „Dann werden wir bald Hilfe benötigen, um die Bewohner in den Aufnahmehäusern zu versorgen. Hier bauen wir auf die gerade entstehenden Netzwerke wie die Initiative ‚Esslingen hält zusammen‘, bei der sich Helfende und Hilfesuchende melden können. Ich persönlich bin ziemlich überwältigt von der sich entwickelnden Hilfsbereitschaft“, sagt Anja Wessels-Czerwinski. Sie ist überzeugt: „Solange alle die Nerven behalten, werden wir diese Krise verhältnismäßig gut überstehen.“ (uli/red)