„Es ist nie zu spät, eine glückliche Kindheit zu haben“, sagt der Psychotherapeut Ben Furmann. Und es ist auch so etwas wie das Motto der Villa 103 der Evangelischen Gesellschaft (eva). Seit 25 Jahren arbeiten Pädagogen hier daran, Mädchen und Jungen auf ihrem Weg in eine glückliche Kindheit zu fördern und Eltern in ihrer Erziehungskompetenz zu stärken. Die Jugendhilfe-Einrichtung in Schorndorf bietet flexible Hilfen in einer Tagesgruppe an. „Die Villa 103 ist nicht nur ein Entwicklungsort“, sagte Heinz Gerstlauer, Vorstandsvorsitzender der eva, bei der Jubiläumsfeier am 1. Juli. „Sie ist für viele Kinder und Familien auch ein Zuhause, ein Raum, um zu lernen und zu feiern.“
Seit die Villa 103 im Jahr 1990 eröffnet worden ist, hat sich vieles verändert – die Lebenssituation von Familien genauso wie das Konzept der Einrichtung. Begonnen hatte sie als „klassische Tagesgruppe“. Das bedeutete: Acht Kinder und Jugendliche kamen nach der Schule in die Villa und wurden gemeinsam in der Gruppe betreut. Doch im Laufe der Zeit zeigte sich, dass dieses starre Korsett nicht mehr für alle Mädchen und Jungen passte. Die Mitarbeitenden wünschten sich mehr Zeit, um mit einzelnen Kindern und Kleingruppen zu arbeiten. Auch die Eltern sollten stärker einbezogen werden.
"Ein passgenauer Maßanzug für Kinder und Familien"
Gemeinsam mit dem Kreisjugendamt Rems-Murr brachte das Villa-Team das Modellprojekt „Flexible Hilfen in einer Tagesgruppe“ auf den Weg. Seit 2002 arbeitet die Villa 103 nach diesem neuen Konzept, das sich mittlerweile in allen Tagesgruppen im Rems-Murr-Kreis etabliert hat: Für jedes Kind wird ein individueller Hilfeplan erstellt. Je nachdem, welche Unterstützung es braucht, werden die entsprechenden Lern- und Fördermodule ausgewählt: Das können zum Beispiel das gemeinsame Mittagessen, Hausaufgabenbetreuung, Mädchengruppe, Einzelförderung im motorischen oder emotionalen Bereich, Elterngespräche und vieles andere sein. „So entsteht ein passgenauer Maßanzug für Kinder und Familien“, betonte Angelika Stock, Jugendamtsleiterin Rems-Murr. „Das ist für die Fachleute aufwendig, aber unter dem Strich lohnt sich das für alle Beteiligten.“ Die „Erfolgsgeschichte“ der Villa sei das beste Beispiel dafür.
Heute bietet die Villa bis zu 18 Plätze für Kinder ab sechs Jahren und Jugendliche an, die von fünf pädagogischen Fachkräften betreut werden. Als Erziehungshilfe wird das Angebot über das Kreisjugendamt finanziert. Im Schnitt bleiben die Mädchen und Jungen zwei Jahre. Über 250 Kinder und Familien haben in den vergangenen 25 Jahren von den Angeboten der Villa profitiert. Michael Leenen, der Leiter der Villa 103, war von Beginn an dabei. Er weiß, dass auch das große, helle Gebäude – eine alte Fabrikantenvilla mit großem Garten – die pädagogische Arbeit positiv verstärkt. „Die Eltern, die zu uns kommen, tun das ja in der Regel nicht freiwillig. Sie haben Probleme und brauchen Hilfe. Aber wenn sie dann die Räume sehen, diese Offenheit hier, dann sind Bedenken schnell ausgeräumt.“ Auch die Rückmeldungen von vielen aktuell und ehemals betreuten Familien zeigen ihm: „Die Kinder und Eltern erleben die Villa als einen Ort, an dem sie ankommen können und einen wertschätzenden, liebevollen und strukturierten Rahmen finden.“
"103 Wege in eine glückliche Kindheit"
Der lösungsorientierte Ansatz in der Pädagogik stand beim Fachvortrag zum Jubiläum im Vordergrund. Simone Liedtke, Diplom-Pädagogin und Beratungs-Coach, machte deutlich, wie wichtig es ist, Familien als Experten in ihrem eigenen Leben ernst zu nehmen und gemeinsam mit ihnen nach Lösungen zu suchen. „Es ist nie zu spät, eine glückliche Kindheit zu haben – das passt zu dem Geist, der dieses Haus durchdringt“, betonte Liedtke. „Eigentlich müsste man sagen: Hier finden Familien 103 Wege zu einer glücklichen Kindheit.“