Neue Bank im Hospitalviertel soll zeigen: auch Menschen haben Geheimnisse
Stuttgart. Bank-Geheimnis – dieses Wort löst Gedankenverbindungen zu sicher angelegtem Geld oder auch zu Schwarzgeld aus. An eine Bank, auf der sich Menschen niederlassen und ausruhen, denkt kaum jemand. Doch genau darum geht es bei einer neuen Bank, die am 7. April auf dem Hospitalplatz eingeweiht worden ist. Auch Menschen haben Geheimnisse – und sie dürfen sie auch haben, ob sie ungewollt schwanger, arm oder suchtkrank sind. Darauf will die Bank mit dem eingebrannten Schriftzug „Bank-Geheimnis“ hinweisen. Bei der Einweihung sprachen Heinz Gerstlauer, der Vorstandsvorsitzende der Evangelischen Gesellschaft (eva), Veronika Kienzle, die Bezirksvorsteherin von Stuttgart-Mitte, Achim Weiler, Vorstandsmitglied des Forums Hospitalviertel, sowie Martin Holch, Sachgebietsleiter Stadterneuerung der Stadt Stuttgart.
Üblicherweise bestehen Sitzbänke in Stuttgart aus Stahlgittern. Die neue Bank, die zu Beginn der Freiluftsaison 2017 aufgestellt wurde, ist dagegen über Eck robust aus über 20 Zentimeter starken Eiche-Kernholzbalken gebaut und hat Rücken- sowie Armlehnen. Damit ermöglicht sie es, sich bequem darauf niederzulassen. Die Bank soll neben ihrer eigentlichen Funktion ein Symbol sein: zum Leben gehören nicht nur Theater, Bildung und Banken, sondern auch die Hilfe für bedürftige Menschen. Und diese Menschen sollen und dürfen im Stadtbild auch sichtbar sein.
Das Hospitalviertel wurde in den vergangenen Jahren grundlegend neu gestaltet: Gebäude wurden renoviert oder neu gebaut, Straßen und Plätze wurden durch neue Bodenbeläge und eine Fußgängerzone stark aufgewertet. Werden durch die Neugestaltung des Hospitalviertels Menschen mit sozialen Problemen verdrängt, weil reichere Menschen hier wohnen oder die Einrichtungen des Viertels besuchen? Diese Befürchtung hatte Heinz Gerstlauer, Vorstandsvorsitzender der Evangelischen Gesellschaft (eva). Die eva bietet seit über hundert Jahren im Hospitalviertel Hilfen für bedürftige Menschen an – ob sie arm, suchtkrank oder einfach nur älter und nicht mehr sicher auf den Beinen sind. „Wir sind keine Bank für Geld, aber eine sichere Bank für Menschen, die ihre Geheimnisse loswerden wollen“, sagte Heinz Gerstlauer bei der Einweihung. Deshalb gab er im Sommer 2015 den Anstoß, eine große Holzbank mit der Aufschrift „Bank-Geheimnis“ auf dem Hospitalplatz zu errichten.
Die Holzbank wurde vom Forum Hospitalviertel, das die Anwohner vertritt, sowie von der Stadterneuerung unterstützt. Im Februar 2016 wurde sie dem Bezirksbeirat Mitte vorgestellt und dort einstimmig begrüßt. Das Amt für Stadtplanung und Stadterneuerung hat die Bank dann geplant und deren Bau mit viel Engagement verfolgt. Finanziert wurde sie aus Mitteln der Städtebauförderung vom Bund, dem Land Baden-Württemberg und der Stadt über das Programm ASP Aktive Stadt- und Ortsteilzentren. Die eva übernimmt die Patenschaft und damit den laufenden Unterhalt sowie die Haftung für die Bank.
Die Bank, die nicht in das übliche Raster der Innenstadt-Möblierung passt, fügt sich gut in die Gestaltung des Hospitalviertels ein. Denn hier gibt es schon das Hospitalplatzstuhlprojekt. Es steht für ein alternatives Konzept: gebrauchte Stühle wurden gesammelt, blau lackiert und auf dem Hospitalplatz aufgestellt. Dieses Projekt wurde von der Hochschule für Technik, der Stadt Stuttgart und dem Forum Hospitalviertel entwickelt. Achim Weiler, Vorstandsmitglied des Forums Hospitalviertel, erinnerte bei der Einweihung der Bank daran, dass die eva sehr früh daran mitgewirkt hat: über die Bürgerbeteiligung, die Lagerung der Stühle bei Sammelaktionen sowie über ehrenamtliche Helfer der Wärmestube beim Streichen der Stühle. Die Neue Arbeit, ein Unternehmen der eva-Gruppe, war bei der Produktion der blauen Stühle beteiligt. Diese wurden erstmals im Herbst 2015 „ausgewildert“, also auf dem Hospitalplatz aufgestellt. Betreut werden die Stühle vom Forum Hospitalviertel.
Die blauen Stühle werden auch dieses Jahr wieder gut angenommen. Von Menschen, denen man ihre Freuden, Sorgen und Nöte nicht sofort ansieht. Und auch die neue Bank war schon zur Einweihung voll besetzt. Für alle, die sich dort niederlassen, gilt, was auf der Plakette in den beiden Seitenlehnen der neuen Holzbank steht: „Nicht nur eine Bank... auch ein Herz hat Geheimnisse“.
Die Bank muss nicht die letzte ihrer Art in der Stuttgarter Innenstadt sein, darin waren sich die Redner bei der Eröffnung einig. Achim Weiler würde sich freuen, „wenn der Hospitalplatz weiter bebaut wird.“ Martin Holch von der Stadterneuerung weiß von der Schreinerei Muny, die die Bank gebaut hat: „Sie hat noch viel Holz von dieser Sorte, das in Stuttgart verbaut werden könnte.“ Veronika Kienzle hält die Bank für „ein Kulturprojekt“ und kündigte schon mal an: „Vielleicht wird auch die ein oder andere Bürgersprechstunde der Bezirksvorsteherin Stuttgart-Mitte hier stattfinden.“