Architektur-Studierende bauen, die eva finanziert den Wiederaufbau des Refugiums in Stuttgart-Kaltental. Ein Klient der Wohnungsnotfallhilfe wird in das Häuschen an der Thomaskirche einziehen.
Die Wohnlage ist gut: Ein Ein-Zimmer-Appartement mit Terrasse und kleinem Garten, ruhig gelegen, im grünen Stadtteil Kaltental. Demnächst wird hier ein Mensch einziehen, der von seinen Nachweisen und seiner Finanzkraft keine Chance auf dem regulären Stuttgarter Wohnungsmarkt hat und von der Wohnungsnotfallhilfe der Evangelischen Gesellschaft (eva) betreut wird.
Er bekommt jetzt eine feste Bleibe im Projekt „Refugium“. Ein Holzhaus, das 1997 an der Kaltentaler Thomaskirche gebaut wurde, direkt unter dem Turm. Wasserschäden haben dieses Häuschen vor einiger Zeit unbewohnbar gemacht. Die damalige Erbauerin, die Stiftung Nestwerk, ist inzwischen insolvent. Deshalb ist die Kirchengemeinde auf die eva zugekommen, sagt Peter Gerecke, bei der eva Leiter der Abteilung „Dienste für Menschen in Armut, Wohnungsnot und Migration“: „Die Instandsetzung dieses Häuschens hätte die Gemeinde finanziell nicht stemmen können.“
Spenden machen die Instandsetzung möglich
Die eva hat für das „Refugium“ eine ungewöhnliche Kooperation begonnen: Instandgesetzt und teilweise neu gebaut wird das Häuschen von Studierenden der Fakultät für Architektur und Stadtplanung an der Universität Stuttgart. Der Kosten werden über Spendengelder der eva finanziert.
Auch für die Studentinnen und Studenten und die Fakultät ist das Refugium ein Gewinn. Die 18 Studierenden bekommen Praxiserfahrung jenseits der Planungsarbeit, sechs von ihnen machen ihre Bachelorarbeit im Zusammenhang mit dem Projekt, das einen großen Wohnraum bietet, eine Schlafkammer, ein Bad und eine Küchenzeile.
„Für die Forschenden an der Fakultät ist dieses Projekt ein Reallabor“, sagt Anja Thierfelder, wissenschaftliche Mitarbeiterin und zusammen mit Sascha Ritschel die Projektleiterin vor Ort. „Sonst kann es oft Jahre dauern, bis das aus Forschung generierte Wissen auf der Baustellstelle umsetzbar wird.“
Neue Techniken beim Holzbau
Beim Refugium-Projekt geht es um die Verwendung ökologischer Materialien und um Kreislaufwirtschaft im Rahmen eines sozialen Projektes. „Das haben die Studierenden auch vehement eingefordert“, sagt Anja Thierfelder. Ganz im Sinne von Jens Ludloff, Professor mit dem Lehrstuhl für Nachhaltigkeit, Baukonstruktion und Entwerfen: „Wir reaktivieren den Standort wieder, aber mit dem Wissen, dass man heute mit Holz anders baut als in den 1990er Jahren.“ Damals wurden Hölzer mit gesundheitsschädlichen Holzschutzimprägnierungen versehen, heute wird der Holzschutz konstruktiv gelöst.
Das weiß die Gruppe so genau, weil die Altmaterialen im Labor untersucht wurden. „Wir wollen aber nicht wieder Altlasten produzieren“, sagt Jens Ludloff. Die Studierenden haben das Haus komplett entkernt, momentan steht nur das tragende Holzfachwerk. Intensiv haben sie nach Möglichkeiten gesucht, den Ausbau schadstofffrei zu gestalten oder mit Wiederverwendung. So wird eine Treppe im Inneren aus Stampflehm gefertigt, aus Abbruchhäusern stammen zum Beispiel Lampen oder Lichtschalter.
Das alles zu planen und zu bauen, ist ein Fulltime-Job: Die Studierenden und das Leitungs-Team sind täglich auf der Baustelle. „Auch in der Lehre ist Praxiserfahrung fundamental, dies geht aber nicht ohne wissenschaftliche Begleitung“, sagt Jens Ludloff: „Wir müssen das erworbene Wissen unmittelbar in die Praxis bringen, die Politik scheitert bisher daran.“
Eine Praxis, die sich gerne auch bei der eva fortsetzen darf, sagt Peter Gerecke: „Wir sind bemüht, möglichst viel Wohnraum zu schaffen. Wenn sich eine Gelegenheit ergibt, würden wir das gerne weiter machen.“ (wol)