„Yes, you can!“ hat in zehn Jahren mehr als 1200 junge Menschen unterstützt
Stuttgart. Hakim Salem (Name geändert) hat in seinem Heimatland Syrien zwar das Abitur gemacht, doch das wird in Deutschland nicht anerkannt. Durch seine nur elementaren Deutschkenntnisse findet er keinen Arbeitsplatz; ohne gezielte Hilfe würde das wohl auch so bleiben. Er hat Schulden, durfte seit Monaten seinen geliebten Sohn nicht mehr sehen. Trotz allem hat Hakim Salem Glück, denn er lebt in Stuttgart. Das JobCenter Mut (Migration und Teilhabe) vermittelt ihm einen Platz bei „Yes, you can!“, einem Kooperationsprojekt der Evangelischen Gesellschaft (eva) und des Caritasverbandes für Stuttgart. Hier wird er dabei unterstützt, seine Probleme anzugehen – wie mehr als 1200 junge Menschen zwischen 15 und 25 Jahren in den vergangenen 10 Jahren.
Beim Start war „Yes, you can!“ bundesweit die einzige Aktivierungs-Maßnahme, bei der Jugendliche zu Hause aufgesucht wurden, die Arbeitslosengeld II bekommen. Das Projekt ist mit dieser Gesetzesgrundlage weiter einmalig. Und noch etwas hat sich nicht geändert: Immer noch gibt es trotz der guten wirtschaftlichen Situation viele Jugendliche, die keinen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz finden. Denn sie haben Probleme, unter anderem Schulden, Straffälligkeit oder psychische Belastungen. Sie haben ihre Ziele aus den Augen verloren oder glauben nicht mehr daran, dass sie diese erreichen können. Das Team von „Yes, you can!“ unterstützt sie dabei, ihr Leben neu zu ordnen.
Der erste Schritt: Probleme sortieren und konkrete Ziele abstecken
Zunächst nehmen die Mitarbeitenden des Projekts per Brief oder Telefon Kontakt zu den jungen Erwachsenen auf. Gelingt dies nicht, suchen sie sie zu Hause auf. Beim Erstgespräch geht es darum, die Lebenslage der Jugendlichen zu klären und ihre Probleme zu sortieren. Dann werden kleine, aber konkrete Schritte für die nächsten Wochen vereinbart. Anschließend findet wöchentlich mindestens ein Termin statt.
Im nächsten Schritt zeigen die Fachleute den jungen Menschen Möglichkeiten und Folgen auf, in einen geregelteren Alltag zurückzufinden – über ihren Weg entscheiden müssen die Jugendlichen selbst. Neben der Einzelfallarbeit gibt es Angebote in Kleingruppen, zum Beispiel Unterricht in Mathematik und Deutsch, Bewerbungstraining oder Sport- und Kreativangebote. Hausbesuche können weiter ein wichtiges Instrument sein, bei Krisen einzugreifen und ein vorzeitiges Maßnahme-Ende zu vermeiden.
In der Regel dauert das Projekt neun Monate, bei Bedarf kann die Teilnahme auf maximal zwölf Monate verlängert werden. In dieser Zeit soll es gelingen, mit den Jugendlichen eine realistische berufliche Perspektive zu entwickeln und diese schrittweise umzusetzen. Das kann ein Platz in einer weiterführenden Schule, ein Job oder eine Ausbildung sein.
Trotz stark erhöhter Platzzahl seit Jahren eine Warteliste
Seit 2017 gibt es eine Neuerung: junge Menschen können jetzt auch über einen „Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein“ des Jobcenters am Projekt teilnehmen. Wer ihn erhält, kann in dringenden Fällen unterstützt werden, obwohl „Yes, you can!“ seit Jahren immer eine Warteliste für die Jugendlichen führt. Und das, obwohl die Platzzahl inzwischen stark erhöht wurde: Das Projekt ist mit 40 Plätzen gestartet, heute gibt es 78 Plätze. Dazu kommen zwischen 5 bis 10 weitere Plätze über die „Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheine“. Im Moment werden 85 junge Menschen unterstützt; 13 weitere stehen auf der Warteliste.
Hakim Salem ist im Mai 2019 zu einem Erstgespräch zu „Yes, you can!“ gekommen. In nicht einmal einem Jahr hat er viel erreicht. Die Fachkräfte von „Yes, you can!“ konnten eine günstigere Wohnung mit ihm finden. Die Zentrale Schuldnerberatung schaut derzeit, ob er durch eine Spende von den restlichen Schulden befreit werden kann, die seine Frau gemacht hat, bevor sie sich von ihm getrennt hat. Auch seinen Sohn, den er vorher neun Monate lang nicht sehen durfte, trifft er mittlerweile wöchentlich. Über das erste Treffen hat er sich so gefreut, dass er in der folgenden Nacht vor Glück nicht schlafen konnte. Nach einem ersten Sprachkurs möchte er einen weiteren machen, um eine Ausbildung aufnehmen zu können. Sie soll den Grundstein für sein selbständiges Leben in Deutschland legen.