Die Herausforderungen der Arbeit mit intergeschlechtlichen und Trans-Personen in der Kinder- und Jugendhilfe waren Thema beim jüngsten Treff Sozialarbeit.
Einen offenen und vorurteilsfreien Umgang mit einem emotions- und konfliktbeladenen Thema haben die Expertinnen und Experten beim jüngsten „Treff Sozialarbeit“ der Evangelischen Gesellschaft Stuttgart (eva) gefordert. „Handlungsfähigkeit unterstützen und Tabuisierung überwinden“ war das Motto der Veranstaltung, bei der es um „pädagogisches Arbeiten mit intergeschlechtlichen Nutzer*innen der Kinder- und Jugendhilfe“ ging. Hintergrund ist, dass für Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe die pädagogische Arbeit mit intergeschlechtlichen und Trans-Menschen besondere Herausforderungen mit sich bringt. Gemeint sind Personen, deren Geschlechtsmerkmale nicht eindeutig als weiblich oder männlich einzuordnen sind und die sich als Transgender nicht mit dem ihnen bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht identifizieren.
Offenheit, Toleranz und Unterstützung sind gefragt
Eindeutige Definitionen gebe es jedoch nicht, sagte Isabelle Melcher. Die Referentin, die sich in ihrem Vortrag mit den fachlichen Grundlagen der pädagogischen Arbeit befasst hat, hält nur Begriffsannäherungen für möglich. Rückschlüsse auf die sexuelle Orientierung einer Trans-Person seien zum Beispiel nicht möglich, betont die Expertin vom Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg, dem Zusammenschluss von mehr als 140 Organisationen für lesbische, schwule, bisexuelle, trans, intergeschlechtliche und queere Menschen.
Melcher hat selbst einen Trans-Hintergrund. „Bis zum 17. Lebensjahr habe ich nur geheult“, sagt die Gründerin und Leiterin der 2015 gegründeten landesweiten Beratungsstelle zu Transsexualität, Transgender und Intersexualität (TTI) in Ulm. Die Heilpraktikerin betont, dass trans*, inter* und nicht-binäre, so genannte TIN-Personen, verstärkt sexualisierter Gewalt ausgesetzt und von sozialer Ausgrenzung betroffen sind. Sie warnt vor einer Zunahme von Diskriminierung und Übergriffen. Wenn das innere „Ich-Geschlecht” und das von außen zugeschriebene „soziale Geschlecht“ nicht übereinstimmen, könne das zu einem hohen Leidensdruck von Betroffenen führen, erläuterte sie. Melcher plädiert für Offenheit, Akzeptanz und Unterstützung. Sie weiß, dass das Coming out eine sehr schwierige Phase ist.
Eine Bewohnerin in der Mädchengruppe fühlt sich als Mann
Dies bestätigte Patrick Rosner von „Scout Am Löwentor“, einer Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung und Tochter der eva. Der Sozialarbeiter berichtete, dass männlich toxisches Verhalten beim Coming out eines Jugendlichen zu schweren Problemen im Umgang geführt habe. Solche Männlichkeitszuschreibungen spielen nach Einschätzung von Melcher auch bei trans und queeren Personen eine große Rolle. Aysha Karthal betonte, wie wichtig totale Transparenz sei. Dies habe sich in einer Wohngruppe für Mädchen gezeigt. Dort eröffnete eine junge Frau den Sozialarbeiterinnen, dass sie sich als Mann fühle, aber zugleich in der Wohngruppe bleiben wolle. Das habe zu internen Konflikten und langen Debatten geführt. (rl)