Ein Projekt von eva und caritas arbeitet mit bürgergeldbeziehenden jungen Menschen daran, Wege aus der Perspektivlosigkeit zu finden
Der Mangel an Fachkräften ist da und gleichzeitig gibt es eine große Anzahl an jungen Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen daran gescheitert sind, im Berufsleben anzukommen. Seit 15 Jahren gibt es für sie eine Anlaufstelle: „Yes, you can!“ heißt das Projekt, das die Evangelische Gesellschaft (eva) und der Caritasverband Stuttgart im Auftrag des Jobcenters Stuttgart durchführen. Vermittelt durch das Jobcenter haben seit 2009 rund 2000 junge Menschen daran teilgenommen, um wieder eine Perspektive und ihren oft strukturlosen Alltag in den Griff zu bekommen. Die Begleitung durch „Yes, you can!“ dauert in der Regel zwölf Monate. „Von Anfang an haben die jungen Menschen das Angebot gut angenommen“, sagt Claudia Walter, Leiterin der Fachstelle für Junge Menschen U25 beim Jobcenter.
„Wir arbeiten daran, Vermittlungshemmnisse zu verringern“, sagt Julia Schmid, Teamleiterin der 16 Mitarbeitenden von „Yes, you can!“. Das tun diese mit viel Engagement und unterschiedlichen, oft unkonventionellen Methoden. So werden die jungen Leute auch in ihrem Zuhause besucht, um eine erste Basis zu schaffen. In den Projekträumen in Bad Cannstatt gibt es nicht nur Beratungsbüros, sondern auch eine Küche, eine Kreativwerkstatt und einen Fitnessraum, in dem ein Mitarbeiter mit entsprechenden Kenntnissen zeigt, wie man richtig mit einem Boxsack trainiert.
„Als das Angebot entstand, gab es noch nichts Vergleichbares in Stuttgart. Junge Menschen, die mit vielem überfordert sind, ziehen sich häufig zurück und der Gang zu Behörden und Hilfsprogrammen fällt Ihnen teilweise schwer. Für diesen Personenkreis wurde mit „Yes, you can!“ ein erfolgreiches Unterstützungsangebot geschaffen“, sagt Claudia Walter.
"Fit in Deutsch" und "Fit in Mathe" gehören zum Angebot
Der Montag startet mit dem Frühstückbuffet im „Café“. Für manche der jungen Bürgergeldbeziehenden ist es nicht normal, ein gutes Frühstück zu genießen: „Am Ende des Monats ist das Geld immer knapp“, sagt Kimberly Röhle. Sie hat in ihrem Dorf eine Lehre als Berufskraftfahrerin abgebrochen, ist in Stuttgart mal bei diesen und mal bei jenen Freunden untergekommen, bis sie dann einen betreuten Wohnplatz gefunden hat und bei „Yes, you can!“ angedockt ist. „Mit Druck kann ich schlecht umgehen. Aber hier wird individuell auf jeden eingegangen“, sagt sie.
Viele der Projektteilnehmenden haben zwar einen Schulabschluss, aber dann viele Abbrüche erlebt, haben mit Schulden, Sucht und psychischen Problemen zu kämpfen. „Offenes Ohr – wie geht Therapie“ heißt eines der zahlreichen Kursangebote, die den Teilnehmenden bis zu 28 Jahren offenstehen. Dabei soll die oft vorhandene Skepsis gegenüber therapeutischen Offerten genommen werden. Auch das Schreiben von Bewerbungen und Kurse wie „Fit in Deutsch“, „Fit in Mathe“ stehen auf dem Programm. Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben beratende Personen, mit denen persönliche Probleme, Anliegen und Ziele besprochen werden. Zum Angebot gehört auch die Begleitung zu Behörden, zur Schuldnerberatung oder zur Arztpraxis, wenn es notwendig ist. „Wir sind ein Ort, an dem alle Themen aufkommen dürfen“, sagt Julia Schmid.
Boxtraining stärkt das Gefühl für den Körper
Alexander M. (Name geändert) ist erst seit wenigen Wochen Teilnehmer bei „Yes, you can!“ – und das einzige, was er daran auszusetzen hat, ist, dass er erst spät davon erfahren hat. „Ich habe Jahre meines Lebens vergeudet“, sagt der 27-Jährige. Zwei Jahre war er bei der Bundeswehr, er hat eine Lehre als Sport- und Fitnesskaufmann begonnen, ist täglich zwei Stunden gependelt und hat gleichzeitig ein Abendgymnasium besucht. Eine Überforderung, die in einem totalen Zusammenbruch gemündet ist. Heute weiß er: „Ich war damals suizidal, ich wollte mein Leben wegwerfen.“ Der Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik und eine Therapie haben ihn stabilisiert. Doch eine Perspektive hatte er nicht: „Ich habe die Tage vergammelt, mir nichts zugetraut und mich selbst immer mehr fertig gemacht“, sagt er über sich. „Ein Teufelskreislauf“.
Bei „Yes, you can!“ hat der ehemals sehr sportliche junge Mann beim Boxtraining und den Fitnesskursen wieder ein gutes Körpergefühl entwickelt. Aus einem komplett verschobenen Tag-/Nachtrhythmus hat er zu einem strukturierten Alltag gefunden und auch die Kunst für sich entdeckt: In der Kreativwerkstatt gestaltet er einen Vogel aus Speckstein. Alexander M. arbeitet daran, selbst wieder abheben zu können und seine Ziele zu erreichen. Das ist zum einen der Auszug aus der betreuten WG in eine eigene Wohnung und eine Ausbildung als Orthopädiemechaniker. „Meine Beraterin Frau Rizzo kümmert sich um mich, sie geht auf mich ein und hört mir zu“, sagt Alexander. Dass er selbst sein schärfster Kritiker ist, ist auch ein Thema in der Beratung: „In den Gesprächen mit ihr reflektiere ich, was jetzt gut läuft.“