eva und Caritas bieten an Schulen Coolnesstrainings zur Gewaltprävention an
Gewalt, Ausgrenzung und Mobbing sind auch an Stuttgarter Schulen immer wieder Thema. Für die Opfer kann das schwerwiegende Folgen haben: soziale Isolation, Traumatisierung, Schlafstörungen oder Angst führen zum Rückzug bis hin zum Schulschwänzen. Aber auch das Klima einer ganzen Klasse kann so vergiftet werden, dass ein normaler Unterricht nur noch schwer möglich ist. Um Gewalt gar nicht erst eskalieren zu lassen, ist frühzeitige Prävention wichtig. Deshalb bieten die Evangelische Gesellschaft (eva) und der Caritasverband für Stuttgart seit dem zweiten Schulhalbjahr 2012/2013 unter dem Namen „Crossroad“ gezielt Maßnahmen für Schulen an. Das erste konkrete Angebot sind Coolnesstrainings in den Klassen 6 der Friedensschule im Stuttgarter Westen. Hier werden mit Schülern, Lehrern und Eltern gewaltfreie oder gewaltvermeidende Verhaltensweisen trainiert.
Bis Frühjahr 2014 wird das Team von „Crossroad“ Coolnesstrainings mit Mädchen und Jungen zwischen 11 und 16 Jahren an Stuttgarter Schulen durchführen. Die Gelder dafür kommen aus dem Projektmittelfonds „Zukunft der Jugend“ der Stadt Stuttgart sowie von den Schulen selbst. Als Pilotprojekt soll an fünf Stuttgarter Schulen die Wirksamkeit der Methode getestet werden. Ziel von „Crossroad“ ist, Coolnesstrainings dauerhaft anzubieten und so die Gewalt in Stuttgarter Schulen sowie im Alltag nachhaltig zu reduzieren.
"Die Gewalt ist subtiler geworden – härter mit weniger Blut"
Beim Training werden den Schülerinnen und Schülern die Folgen des eigenen Handelns bewusst gemacht. Das gilt sowohl für die Täter als auch für die Opfer und die „mitlaufenden“ Beteiligten. Sie alle trainieren neue Verhaltensweisen. Damit werden das Klassenklima und der Umgang miteinander verbessert, die Schülerinnen und Schüler zeigen mehr Respekt voreinander. Denn gerade mangelnder Respekt, Ausgrenzung und Mobbing seien heute Zeichen von Gewalt, berichtet Jochen Salvasohn, der als Leitungskraft für Crossroad zuständig ist. „Die Gewalt ist subtiler geworden – härter mit weniger Blut. Und die psychischen Verletzungen heilen viel schlechter als ein Veilchen am Auge.“
Die Klasse 6 B der Friedensschule – einer Hauptschule mit Werkrealschule – hat sich vor dem Training insbesondere dadurch ausgezeichnet, dass Jungs und Mädchen eher getrennte Wege gegangen sind. Unter einzelnen Kindern sowie mit Schülern der Parallelklasse kam es immer mal wieder zu Auseinandersetzungen. So ging es darum, die verschiedenen Rollen und Positionen in der Gruppe zu klären: Wer hat was zu sagen? Wer ist in? Wer ist unbeliebt?
„Man lernt dann, wenn man Spaß hat“
Bereits nach wenigen Trainingseinheiten war spürbar, dass die Schüler die Gefühle der anderen besser wahrnehmen und Grenzen eher respektieren. Durch Rollenspiele und Ähnliches haben sie Alternativen zu ihren bisherigen Verhaltensweisen eingeübt. Sie hätten trainiert, aber auch viel zusammen gelacht, berichtet Natascha Zöller, Mitarbeiterin bei Crossroad. Denn „man lernt dann, wenn man Spaß hat“.
Die Erfolge sind offensichtlich: Die Mädchen und Jungen sprechen jetzt Konflikte offen an, statt sie körperlich oder mit Beschimpfungen auszutragen. Auch den scheinbar Außenstehenden ist ihre wichtige Rolle jetzt bewusst: Sie mischen sich ein, wenn es Konflikte gibt.
Vor allem das Klima zwischen den Mädchen und Jungs ist nun harmonischer und nicht mehr so konfliktbeladen. Sie nehmen sich nun in ihren Stärken wahr, statt die Defizite der anderen zu suchen. Nach den guten Erfahrungen der vergangenen Monate wäre es ihr am liebsten, wenn das Coolnesstraining „im Lehrplan verankert werden würde“, sagt Iris Tritschler, Klassenlehrerin der 6 B. Denn „wir sollten das an jeder Schule, in jeder Klasse haben.“
„Ich habe gelernt, Probleme offen anzusprechen“
Auch Valentina und Zeynab, zwei Schülerinnen der 6 B, haben aus dem Coolnesstraining viel mitgenommen: „Ich habe gelernt, Probleme mit meiner Klasse offen anzusprechen und das nicht hinter dem Rücken meiner Mitschüler zu machen“, erzählt Zeynab. Und: „Wenn es Streit gibt, versuche ich darauf zu achten, was ich dazu beitrage.“ Auch Valentina hat sich durch das Coolnesstraining selbst besser kennengelernt: „Ich weiß jetzt besser Bescheid, wo und wie man mich provozieren kann. Deshalb mache ich mir vorher schon Gedanken, wie ich dann reagiere.“ Durch das Coolnesstraining habe sich nicht nur die Atmosphäre in der Klasse verbessert. Auch das Verhältnis mit der Nachbarklasse sei nun entspannter, berichten die beiden Zwölfjährigen.