Info-Abend im Flattichhaus: Eltern und Pädagogen tauchen ein in die Welt der PC-Spiele
Eigentlich waren sie gekommen, um selbst zu zocken: Eltern und pädagogische Fachkräfte wollten bei der Eltern-LAN im Flattichhaus der Faszination der virtuellen Spielewelt auf die Spur kommen. Was ist es, das Kinder und Jugendliche so in den Bann zieht? Um das herauszufinden, wollten die Erwachsenen selbst PC-Games wie Minecraft oder Call of Duty ausprobieren. Doch es kam anders. Die Laptops der Bundeszentrale für politische Bildung waren im "real life" irgendwo auf dem Weg von Bonn nach Stuttgart hängengeblieben. Aber auch ohne eigene Spielpraxis wurde es ein lehrreicher Abend, bei dem die Medienpädagogen Tim Clemenz und Philipp Dubberke, beide zugleich bekennende Spieler, mit so manchem Vorurteil aufräumten.
Free2play, Pay2win, Cloud Gaming, Let’s-Player: Da kommen viele Eltern und auch Pädagogen nicht mehr mit. Die Erwachsenen blicken oft ratlos und sorgenvoll auf die Kinder und Jugendlichen, wenn diese jede freie Minute vor dem Bildschirm verbringen. Warum spielen sie diese PC-Games so exzessiv? Wie soll man als Erziehungsberechtigter damit umgehen? Und wie groß ist das Suchtpotenzial? Die Besucher der Eltern-LAN waren mit vielen Fragen ins Flattichhaus gekommen.
„Die Kinder haben heute gar keine richtigen Hobbies mehr“, sagte eine Mutter besorgt. Sie verstehe einfach nicht, weshalb ihr Tochter lieber MovieStar am Computer spielt, statt rauszugehen und im echten Leben etwas zu erleben. „Was kann ich tun, damit mein Kind mit dem Spielen aufhört?“ Medienpädagoge Philipp Dubberke ließ keinen Zweifel: „Gar nichts.“
Die Zeit lasse sich schlichtweg nicht zurückdrehen. „Es gibt diese Spiele, sie werden sich weiterentwickeln, aber sie werden nicht mehr verschwinden“, so Dubberke. Umso wichtiger sei es für Eltern, sich unvoreingenommen mit dem Thema auseinanderzusetzen und dem Kind gegenüber Interesse zu zeigen. Ziel der Erziehungsarbeit müsse es sein, den Kindern einen guten Umgang mit PC-Spielen zu vermitteln. Computerspiele zu verteufeln und sie aus dem Kinderzimmer zu verbannen, sei aus pädagogischer Sicht nicht nur der falsche Weg, sondern aussichtslos.
Denn die Anziehungskraft von Games wie Minecraft & Co. ist enorm. Und das hat viele Gründe: Die Kinder können selbst in das Spielgeschehen eingreifen und erleben so die eigene Selbstwirksamkeit. „In der Schule oder in der Familie haben Kinder sonst nicht viel zu bestimmen“, sagte Benjamin Götz, Sozialarbeiter im Flattichhaus und selbst Medienpädagoge. „Im Spiel merken sie, dass sich die Geschichte nur durch ihr Tun weiterentwickelt.“ Computerspiele bringen außerdem Erfolgserlebnisse, denn das Kind kann Spielinhalt und Schwierigkeitsgrad selbst wählen. Auch die Interaktion mit anderen – auf LAN-Partys oder über das Internet – spielt eine wichtige Rolle. Und nicht zuletzt ist es das Flow-Erlebnis, das Jugendliche vor dem Bildschirm fesselt: Statt Frust und Langeweile erleben sie im Spiel, dass sie alle Herausforderungen und Aufgaben durch ihre eigenen Fähigkeiten meistern können. Dies erzeugt einen rauschähnlichen Zustand, bei dem sie Raum und Zeit vergessen. „Die Bedürfnisse von Kindern werden zu 100 Prozent von PC-Games abgedeckt“, betonte Götz. Daher reiche es nicht, den Nachwuchs aufzufordern, doch mal nach draußen spielen zu gehen. „Die Kids fragen sich dann: Was soll ich da? Das Spiel gibt mir doch alles, was ich brauche.“ Als Eltern und Pädagogen müsse man den Kindern eine akzeptable und attraktive Alternative bieten, die ihren Bedürfnissen auf ähnliche Weise entgegenkommt.
Medienpädagoge Tim Clemenz gab den Eltern ein paar Ratschläge auf den Weg. „Nehmen Sie sich Zeit und spielen sie gemeinsam mit ihrem Kind am PC.“ Denkbar sei zum Beispiel, dass die ganze Familie einmal in der Woche einen digitalen Spieleabend verbringt. Im Wechsel könnten dann Jung und Alt beim nächsten Mal die alten Brettspiele auspacken. Eines sei besonders wichtig: „Stellen Sie klare Regeln auf, wie oft und wann Ihr Kind spielen darf, und setzen Sie diese dann auch durch.“
Info: Die Eltern-LAN ist eine gemeinsame Veranstaltung von spielbar.de, der Plattform der Bundeszentrale für politische Bildung zum Thema Computerspiele, dem Spieleratgeber-NRW des Vereins ComputerProjekt Köln e.V., der Akademie Remscheid für Kulturelle Bildung e.V. und Turtle Entertainment, dem Veranstalter der Electronic Sports League, mit freundlicher Unterstützung von BITKOM – Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. Die Eltern-LAN in Stuttgart wurde in Zusammenarbeit mit dem Flattichhaus der Evangelischen Gesellschaft veranstaltet.
Weiterführende Links
Pädagogische Beurteilung von Spielen:
www.spielbar.de
www.spieleratgeber-nrw.de
Medienpädagogische Informationen rund um das Thema Medien:
www.klicksafe.de
Infos zur Alterskennzeichnung von PC-Games:
www.usk.de
Referent/innen zu medienpädagogischen Themen bzw. medienpädagogische Beratung:
www.ajs-bw.de (Aktion Jugendschutz Baden-Württemberg)