Theaterstück gegen Gewalt im Namen der Ehre wird an zwanzig Schulen in Baden-Württemberg aufgeführt: „Hinter den grauen Wolken scheint die Sonne“
Sommerferien – für viele Schülerinnen und Schüler ist das die schönste Zeit des Jahres. Für manche das Gegenteil: Sie fürchten sich vor dem Familienurlaub im Heimatland der Eltern, wo ihnen Gewalt droht. Vor den Sommerferien steigen die Hilferufe zur bevorstehenden Zwangsverheiratung bei den Beratungsstellen regelmäßig stark an. Zur Prävention wurde deshalb jetzt das Theaterprojekt "Mein Leben. Meine Liebe. Meine Ehre? - Hinter den grauen Wolken scheint die Sonne" an Schulen gestartet. Das Projekt wird von Terre des femmes in Kooperation mit dem Ensemble „Mensch: Theater!“ und der Beratungsstelle Yasemin der Evangelischen Gesellschaft (eva) getragen. Es wird aus Mitteln des Europäischen Integrationsfonds und des Ministeriums für Integration Baden-Württemberg finanziert. Das Stück wird von Juli bis Dezember 2014 zwanzig Mal an unterschiedlichen Schulen in Baden-Württemberg aufgeführt.
Im Theaterstück werden die Nöte von weiblichen und männlichen Jugendlichen aufgegriffen, die im Zusammenhang mit Gewalt im Namen der Ehre stehen. In fünf Szenen werden Konflikte behandelt, unter denen besonders Jugendliche aus patriarchal geprägten Familien leiden: Kontrolle durch Familienmitglieder, Verbot von Liebesbeziehungen, Ächtung von Homosexualität, Zwang zur Jungfräulichkeit und Zwangsverheiratung. Während des interaktiven Theaterstücks entwickeln die Jugendlichen Lösungsstrategien für die gezeigten Konflikte. Damit wird ein nachhaltiger Lerneffekt erzielt. Zudem soll damit der interkulturelle Dialog unter Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund gefördert werden.
Eine Studie des Bundes-Familienministeriums belegt: mehr als die Hälfte der Zwangsverheiratungen finden im Ausland statt. Das weiß auch die baden-württembergische Integrationsministerin Bilkay Öney. Sie war bei der ersten Aufführung des Stücks in dieser Woche an der Ernst-Heinkel-Realschule in Remshalden anwesend. „Mehrfach wurde mir von Zwangsverheiratungen und arrangierten Ehen in der Urlaubszeit berichtet. Mir ist deshalb wichtig, zu betonen: Wer sein Kind zu einer Heirat zwingt, tut ihm Gewalt an. Zwangsverheiratung ist eine Menschenrechtsverletzung und eine Straftat“, sagte Öney. Aufgabe ihres Hauses sei es, über das Thema aufzuklären und die Menschen dafür zu sensibilisieren.
Das ist auch eine der Aufgaben von Yasemin. Deren Mitarbeiterinnen führen Präventionsveranstaltungen in Schulen durch, um Jugendliche zu sensibilisieren, ihre eigenen Wünsche und Bedürfnisse besser wahrzunehmen und sie durchzusetzen. Bei den Aufführungen des Theaterstücks ist jeweils eine pädagogische Fachkraft von Yasemin anwesend. Sie unterstützt die Arbeitsgruppen, die nach der Aufführung gebildet werden, dabei, die Themen des Stücks zu vertiefen oder Fragen, die sich ergeben haben, zu beantworten. Wichtig ist ihr daneben, Mädchen zu erreichen, die von Gewalt im Namen der Ehre betroffen sind. Wer mehr Rat und Hilfe braucht, findet diese bei der Beratungsstelle von Yasemin, die baden-württembergweit tätig ist: Hier werden junge Migrantinnen zwischen 12 und 27 Jahren sowie vertraute Dritte wie Lehrpersonal bei Gewalt im Namen der Ehre oder Zwangsverheiratung beraten.
30 Prozent der von Zwangsverheiratung betroffenen und bedrohten Mädchen sind unter 18 Jahre und damit schulpflichtig. „Die Schule ist für von Zwangsheirat bedrohte Mädchen oftmals der einzige Ort, um sich über Hilfe und mögliche Lösungen in ihrer Notsituation zu informieren. Deshalb richtet sich die Präventionsarbeit von Terre des femmes wie das Theaterstück ‚Mein Leben. Meine Liebe. Meine Ehre’ direkt an die Schulen. Es leistet einen wichtigen Beitrag, um Mädchen in ihrer Suche nach einem selbstbestimmten Weg zu unterstützen", erläuterte bei der ersten Aufführung des Stückes Sandra Stopper, Projektmitarbeiterin bei Terre des femmes.
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