Ehemalige Heimkinder der Behindertenhilfe und Psychiatrie können bis 30.6.2021 ihre Anträge stellen
Körperliche, seelische und sexualisierte Gewalt, Demütigung, Zwangsarbeit: Viele Kinder und Jugendliche, die zwischen 1949 bis 1975 (BRD) bzw. 1949 bis 1990 (DDR) in Heimen der Jugendhilfe sowie der Behindertenhilfe und Psychiatrie gelebt haben, haben schweres Leid und Unrecht erfahren. Viele leiden bis heute an den Folgen. Um die Betroffenen zu unterstützen und die Folgen des erfahrenen Leids abzumildern, haben der Bund, die Länder sowie beide großen Kirchen zwei Fonds sowie eine Stiftung eingerichtet:
Jugendhilfe: Fonds „Heimerziehung“
Für ehemalige Heimkinder aus dem Westen wurde 2012 der Fonds „Heimerziehung West“ aufgelegt (für Ostdeutschland entsprechend der Fonds „Heimerziehung in der DDR“, weitere Infos dazu s. Link unten). Bis zum Stichtag 31.12.2014 haben fast 20.000 Betroffene, die in Heimen der Kinder- und Jugendhilfe im Westen Unrecht erfahren haben, ihren Hilfebedarf angemeldet. Die zunächst vorgesehenen 120 Millionen Euro waren schnell ausgeschöpft, so dass Bund, Länder und Kirchen 2015 beschlossen, den Fonds nochmals um 182 Millionen Euro aufzustocken. Bis Ende 2018 sollen alle bereits gestellten Anträge bearbeitet und die Mittel ausgezahlt werden. Eine Antragstellung für die Fonds „Heimerziehung West“ und „Heimerziehung in der DDR“ ist nicht mehr möglich.
Behindertenhilfe und Psychiatrie: Stiftung „Anerkennung und Hilfe“
Aus pragmatischen und verwaltungstechnischen Gründen wurden die Heimkinderfonds West und Ost im Jahr 2012 lediglich für Betroffene der Jugendhilfe eingerichtet. Wer in Einrichtungen der Behindertenhilfe und Psychiatrie Unrecht erfahren hat, war davon ausgeschlossen. Auch die Kirchen und die Diakonie hatten von Beginn an auf diese Ungerechtigkeit hingewiesen und angemahnt, auch diesen Menschen Hilfe und Unterstützung zu ermöglichen.
Schließlich haben Bund, Bundesländer und Kirchen zum 1. Januar 2017 die „Stiftung Anerkennung und Hilfe“ für Betroffene der Behindertenhilfe und Psychiatrie gegründet. Sie ist mit 288 Millionen Euro ausgestattet. Ziel der Stiftung ist es, das erfahrene Leid und Unrecht durch öffentliche Veranstaltungen und eine wissenschaftliche Aufarbeitung anzuerkennen und die Betroffenen finanziell zu unterstützen. Wer die Voraussetzungen erfüllt, erhält eine einmalige Geldpauschale von 9.000 Euro. Wer als Heimkind arbeiten musste, ohne dass die Einrichtung hierfür Sozialversicherungsbeiträge gezahlt hat, kann eine einmalige Rentenzusatzzahlung von 3.000 bzw. 5.000 Euro erhalten. Bis 30.6.2021 kann ein Antrag an die Stiftung „Anerkennung und Hilfe“ gestellt werden; die Rückmeldefrist wurde bis zu diesem Datum verlängert.
Wer genau hat einen Anspruch auf Unterstützung durch die Stiftung? Wie stellt man einen Antrag? Antworten auf alle Fragen gibt es unter www.stiftung-anerkennung-und-hilfe.de.
Diakonie beteiligt sich an der Finanzierung
Die Fonds „Heimerziehung“ sowie die Stiftung „Anerkennung und Hilfe“ wurden bzw. werden zu je einem Drittel vom Bund, den Ländern sowie der evangelischen und katholischen Kirche finanziert. An dem Anteil, den die Evangelische Landeskirche in Württemberg übernimmt, beteiligt sich die Diakonie in Württemberg mit 30 Prozent. Das sind insgesamt 2,3 Millionen Euro für den Heimkinderfonds West sowie 1,15 Millionen für die Stiftung „Anerkennung und Hilfe“. Finanziert wird dies aus Eigenmitteln der Diakonie in Württemberg sowie zu einem Großteil durch erhöhte Mitgliedsbeiträge. Damit sind alle diakonischen Einrichtungen an der Finanzierung des Fonds und der Stiftung beteiligt, darunter auch die eva – unabhängig davon, ob sie selbst Heime in dem beschriebenen Zeitraum betrieben haben.
Flyer Stiftung Anerkennung und Hilfe